Kolumne

Rezo zerstört die CDU, die CSU zerstört sich selbst

Orientierungslos blieben die eingesessenen Politikprofis zurück nachdem ein junger interessierter Mann mit auffälliger Frisur plötzlich den dunklen Raum der Politik für Jugendliche öffnete. Und die Erwachsenen reagierten, als würden sie von ihren Kindern beim Sex erwischt.

17. September 2019 - 08:24
SPIESSER-Autor Der Mann den Sie Pfirsich Nannten.
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Der Mann den Sie Pfirsich Nannten Offline
Beigetreten: 24.04.2015

Die Mehrheit der Koalition beschimpfte erst wüst, wollte dann kritische Meinungen im Internet am liebsten strenger beäugen lassen und war sich dann zumindest einig, dass man besseren Kontakt zu uns jungen Leuten haben muss – also für Annegret Kramp-Karrenbauer alles im Alter von Philipp Amthor und jünger. Dass die CSU nun selbst versucht eine schlechte Kopie eines YouTubers als Reaktion in die Spur zu schicken, ist nicht nur peinlich, sondern zeigt: Ihr habt nichts begriffen.

Nach den Wahlen im Osten ist die laute blaue Stimme, die der CDU das Leben schwer macht, leider wieder die AfD – bis dahin war dies allerdings der YouTuber Rezo mit seiner „Zerstörung der CDU“. Am 31. August veröffentlichte die CSU nun als Reaktion ein eigenes Videoformat „CSYou“ und zeigt, dass vor allem die Form und nicht der Inhalt von Rezo analysiert wurde. Mit Glitcheffekten und gefärbten Haaren so wie Einblendungen aus dem YouTube-Klischeebaukasten-Set von 2015 probiert die CSU billigste Parteipropaganda für die Generation Shirin David zu installieren. Und scheitert eindrucksvoll. Für dieses Video hat YouTube den Daumen nach unten erfunden (aktuell stolze 195.000).

Ein Fail in der Brandung

Wenn selbst der Bayrische Rundfunk über die CSU spottet, dann weiß die bayrische Heimatpartei, wie schlimm es sein muss. Angegriffen wird Greta Thunberg und Klimaaktivismus, ein paar Sätze später wird Rechtsextremismus mit Linksextremismus gleichgesetzt. So sehen sie aus, die selbst ernannten „neuen Wege der Kommunikation“ der CSU. Dass die Hälfte des Videos nicht stimmt oder unsachlich verkürzt ist, geschenkt. Dass die Gags unterirdisch und mit Sounds unterlegt sind, die selbst Micky Mouse zu wenig subtil sind, meinetwegen. Aber dass so ein Video durch alle Instanzen einer Partei geht und das Verständnis dieser davon ist, was junge Menschen mögen, macht mich betroffen. Als würde Vati nochmal „witzige“ Shirts mit bedruckten Sprüchen anziehen unter der Jeansjacke und über die Sonnenbrille schielend rufen: „Na, wer ist jetzt uncool?“

Anstatt die FridaysForFututure-Bewegung in sinnvolle politische Mitbestimmung einzubinden und dabei die Chance zu nutzen, die in die Jahre gekommenen Strukturen der Funktionsweise unseres Parlaments zu aktualisieren oder digitale Mitgestaltung von Politik durch transparente und nachvollziehbare Vorgänge zu ermöglichen, gibt’s das uralte Lied, nur halt mit Autotune.

Fraglich ist auch, inwiefern es für eine Regierungspartei überhaupt zulässig ist, eigene Formate mit Nachrichtencharakter zu erstellen. Staatsfernsehen ist nämlich gesetzlich verboten im Rundfunkstaatsvertrag. Aus gutem und historisch bekanntem Grund soll Berichterstattung unabhängig sein und von Journalisten betrieben werden – kein FC Bayern TV für die Politik, indem man alles im Sinne der eigenen Parteianstecknadel zurechtschiebt. Hier offenbart sich allerdings wieder, dass unsere Richtlinien noch im Fernsehzeitalter stehengeblieben sind, und YouTube-Formate weiterhin politisch einseitig sein dürfen. Juristisch ist dies wohl solange sauber, solange die politische Werbung offensichtlich ist.

Nur konsequent fürs eigene Demokratieverständnis der CSU ist, dass kritische Kommentare der Zielgruppe, die sich nicht gut adressiert fühlten, unter dem Video scheinbar gelöscht wurden. Schlimmer hätte das von der Partei gestoppte Vorhaben eines Videos mit dem Jungabgeordneten Philipp Amthor auch nicht sein können. Die CDU schreibt übrigens auch gerade Stellen für Online-Videokreateure aus. Toi, toi, toi.

Text: Christian Schneider
Teaserbild:
twitter | Neo Magazin Royale

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