Die Philosophie hat einen schlechten Ruf. Sie steht im Verdacht, ein Studienfach für Menschen zu sein, die schlicht nichts Besseres mit ihrem Leben anzufangen wissen. Dabei ließe sich gerade mithilfe der Philosophie unsere durchökonomisierte, neoliberale Gesellschaft auf den Kopf stellen.
11. February 2020 - 08:25 SPIESSER-Autorin Cherilia.
Die meisten Studierenden der Geisteswissenschaften wird diese Situation bekannt vorkommen: In einem lockeren Gespräch – ob in der Bar, auf dem Klassentreffen oder beim Familiengeburtstag – wird die Frage nach den Studienfächern gestellt. Die meisten Reaktionen lösen dabei Staunen oder begeistertes Nicken aus. Bei der eigenen Antwort wird die Stirn gerunzelt und gefragt: Und was macht man dann damit?
Insbesondere seit ich Philosophie studiere hängt mir diese Frage zu den Ohren raus. Meistens entspringt sie weniger einem neugierigen Interesse als vielmehr einem absoluten Unverständnis. Eine Antwort von meiner Seite aus wird gar nicht abgewartet. Woher das kommt? Vielleicht von der Vorstellung, alle Philosophen säßen Pfeife rauchend in ihren Ohrensesseln und drehten sich gedankenverloren um sich selbst. Vielleicht auch daher, dass es schwierig ist, dem Fach eine eindeutige berufliche Laufbahn zuzuordnen. Bei Medizin oder Jura ist das schon einfacher.
Es stimmt, dass die Philosophie ein diffuses Feld ist. Es ist schwierig, ihre Themengebiete eindeutig zu definieren. Praktisch alles kann Inhalt eines philosophischen Seminars sein – der Begriff der Wahrheit ebenso wie die Frage nach der Definition von Schönheit. Es kann passieren, dass man sich plötzlich in einer heftigen Auseinandersetzung über den praktischen Sinn von Widerstand befindet. Aber genau diese Uneindeutigkeit macht sie so spannend. Sie erlaubt unendliche Anwendungsmöglichkeiten – die sich nicht mit der Frage nach einem “philosophischen” Berufsfeld abdecken lassen.
Von mir als Studentin sollte nicht erwartet werden, dass ich meine wissenschaftliche Bildung nach ökonomischen Prinzipien ausrichte. Ein Studium ist keine Ausbildung und die Universität nicht der Ort, an dem ich möglichst schnell in Richtung Arbeitsmarkt hetze. Wissenschaft sollte frei von ökonomischen Zwängen bleiben. Dass das in der Realität nicht so ist, ist mir klar. Dass ich aus der privilegierten Position einer Person spreche, die sich so ein Studium überhaupt erst einmal leisten kann, auch. Ich denke nicht, dass sich die Beschäftigung mit der Philosophie auf Bereiche wie Universitäten, zu denen nicht alle Zugang erhalten, beschränken sollten.
Ich glaube nämlich, dass wir alle etwas von der Philosophie lernen können – nämlich unter die Oberfläche eines Sachverhaltes zu schauen, um zu erkennen, was dahintersteckt. Dabei ist es egal, welcher Sachverhalt das ist – denn die Philosophie ist eine Methode, die uns lehrt, zu fragen und zu hinterfragen, ohne direkt eine Antwort parat zu haben. Das bietet uns die Möglichkeit, vorurteilsfrei auf Probleme zuzugehen und unser eigenes, alltägliches Handeln zu hinterfragen, das heute mehr denn je neoliberalen Zwängen unterliegt. Die Philosophie kann uns helfen, diese zu verstehen und uns davon zu befreien.
Auf den ersten Blick mag das uns nicht besonders ökonomisch wertvoll, sogar kompliziert vorkommen – auf lange Sicht lohnt sich das jedoch. So können wir verhindern, mit dem Hammer wahllos auf Probleme einzuschlagen, ohne vorher zu prüfen, ob sie überhaupt die Form eines Nagels besitzen.
Text von Pierre Hofmann
Fotos: Photo by Giammarco Boscaro on Unsplash
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