Beruferoulette

Auf heißem Parkett

Sind Börsenspezialisten größenwahnsinnige Rolex-Träger, die in vier Telefonhörer gleichzeitig sprechen? Um das zu überprüfen, traf SPIESSER-Autorin Marie den Börsenspezialisten Arne Hellwig, der sich seit Jahren auf dem Frankfurter Börsenparkett bewegt.

01. September 2015 - 15:53
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Marieposa Offline
Beigetreten: 04.12.2014

Börsenspezialist

Dein Traumjob, denn du ...
• möchtest jeden Tag neue und spannende Aufgaben meistern
• magst den Nervenkitzel
• hast Lust auf Handel und Verkauf

Das gehört dazu:
• ein starkes Nervenkostüm
• in Drucksituationen einen kühlen Kopf bewahren
• Vertrauen in das eigene Handeln

Wie du es wirst:
• mit einem Wirtschaftsstudium
• und anschließender Absolvierung einer Händlerprüfung

Als ich mit Herrn Hellwig das Frankfurter Börsenparkett betrete, bin ich doch ein wenig überrascht: Keine Hektik, kein Gewusel, keine hitzigen und lautstarken Verhandlungen. Das Ganze hat eher eine Atmosphäre wie in einer ruhigen Universitätsbibliothek. „Und wo sind eigentlich die ganzen Telefonhörer?“, frage ich mich und muss dabei an Szenen aus „Wolf of Wallstreet“ denken. „Zeiten, in denen ein Börsenhändler vier Telefonhörer in der Hand hält, sind seit Beginn dieses Jahrtausends vorbei“, berichtet Hellwig. Auf dem berühmten Frankfurter Parkett sehe ich Börsenspezialisten lediglich mit einem Headset oder einem Handy ausgestattet. Dafür arbeiten sie mit bis zu vier Monitoren gleichzeitig, damit sie stets alles im Blick haben. Ganz schön beeindruckend.

„Ich bin da reingestolpert“

Dass Arne Hellwig mal mit Anleihen an der Börse handeln würde, hätte er in seiner Sturm-und-Drang-Zeit, als er eine Vorliebe für blaugefärbte Haare und Punkmusik hatte, nicht gedacht. „Ich bin in diesen Beruf mehr oder weniger reingestolpert“, berichtet er. Ausbildung zum Bankkaufmann, ein abgebrochenes Jurastudium, dann eine Hiwi-Stelle, kurz darauf die Börsenhändlerprüfung – eher
atypisch verlief Hellwigs Weg zum Börsenspezialisten.

Die Formel für einen guten Börsenspezialisten scheint so einfach: Sie kaufen und verkaufen Aktien, also Wertpapiere, auf denen steht, dass man einen Teil einer Firma oder eines Unternehmens besitzt. Auch mit Anleihen arbeiten sie. Das sind Kredite, die ebenfalls an der Börse gehandelt und für Anleger verfügbar gemacht werden. So einfach ist es dann aber leider doch nicht: Eine falsche Eingabe in den Computer, ein zu langes Zögern oder Unkonzentriertheit werden schnell bestraft – Fehler am Kapitalmarkt sind nur schwer auszumerzen. Auf die Frage, was ihm an seinem Job als Börsenspezialist gar keinen Spaß mache, meint Hellwig direkt: „Geld verlieren und Überregulierung.“

Ein Arbeitstag für einen Börsenspezialisten beginnt um 7:30 Uhr – im Fall von Hellwig mit einem starken Kaffee und dem aktuellen Nachrichten-Check. Dann werden die Rechner hochgefahren, Zahlen abgeglichen und auf die Aufträge der Anleger gewartet, bevor anschließend tüchtig ge- und verkauft wird.

Größenwahn?!

Wo ist der Anzug von Herrn Hellwig? Wo die Rolex um sein Handgelenk? Das in Teilen sicherlich überzogene Bild des überheblichen Börsenmaklers schießt kurz durch meinen Kopf. „Was mich wirklich frustriert, ist die mediale Berichterstattung. Wenn pauschalisiert von ‚den Banken‘ und den ‚rücksichtslosen Spekulanten‘ die Rede ist. Alles wird in einen Topf geworfen.“ Das sei falsch, meint der Spezialist.

„Wie ist ihr Verhältnis zu Geld?“, will ich von Hellwig wissen. „Ob ich eine dicke Uhr trage und mit einem Ferrari vorfahre, ist eine reine Persönlichkeitsfrage. Ich bevorzuge den bodenständigen Weg.“ Fest steht: Börsenspezialisten handeln mit großen Summen. Vor ein paar Jahren schloss Hellwig seinen bislang größten Trade in Höhe von 23 Millionen Euro ab. Wichtig zu wissen: Nicht die Summe, die bei einem Trade bewegt wird, verdient der Börsenspezialist, sondern die Marge, das heißt die Differenz zwischen Selbstkosten und Verkaufspreis.

Unvergessen bleibt für Arne Hellwig die weltweite Finanzkrise 2008. Das Auf und Ab der Finanzmärkte und die Spannung, als man gebannt auf die elektronischen Nachrichtenbänder im Sitzungssaal blickte, sind für ihn noch immer präsent. „Damals konnte man einfach nicht abschalten.“ Mit dem Abschalten ist das eh so eine Sache im Börsengeschäft. Das Smartphone ist eigentlich immer griffbereit – auch im Urlaub. „Nicht zu wissen was los, macht mich nervös“, sagt Hellwig.

Ein spannender Tag auf dem Frankfurter Parkett geht für mich zu Ende. Börsenspezialistin möchte ich trotzdem nicht werden. Ich hätte große Schwierigkeiten in Sekundenschnelle unter Hochdruck eine Entscheidung zu treffen, die so folgenschwer sein kann. Deshalb: Chapeau an Herrn Hellwig und seine Kollegen!

Text und Fotos: Marie Heller

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