SPIESSER-Autor Tom studiert Politikwissenschaft und hat Fridays for Future anfangs belächelt. Heute, ein knappes Jahr nach Gründung, muss er feststellen: Er hat sich getäuscht. Bei seiner Recherche fiel ihm auf: Schon vor dreizehn Jahren schaffte es ein Kind Aufmerksamkeit auf den Klimawandel zu richten.
24. January 2020 - 13:13 SPIESSER-Autor tom.schmidtgen.
Eine sehr gute Freundin hat mir vor einigen Jahren einmal ein Lied geschickt, das ich mir bis heute gerne anhöre. Es heißt „4 Degrees“ von Anohni. Der Song ist sehr dynamisch und lässt sich einfach gut weghören. Aber es lohnt sich, genauer hinzuhören. Es geht um das Szenario einer Klimaerwärmung um vier Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter – ein leider durchaus realistisches Szenario, wenn man sich anschaut wie wenig für den Klimaschutz getan wird und wie lange die Bundesregierung um ein laues „Klimapaket“ gestritten hat.
Anohni singt: „It's only four degrees, it's only four degrees / I wanna hear the dogs crying for water“. Sollte sich das Weltklima tatsächlich um vier Grad erwärmen, rechnet der Naturschutzbund damit, dass 3,2 Milliarden Menschen von Wasserknappheit betroffen wären. Und ich habe Angst davor. Umso froher bin ich, dass das Thema endlich wieder auf der politischen Agenda liegt.
Ich studiere im Master Politikwissenschaft und habe mir lange eingebildet, dass soziale Bewegungen nicht monatelang und weltweit ein Thema auf der Agenda halten können. Deshalb habe ich Fridays for Future anfangs belächelt, weil ich so naiv war zu denken, dass demonstrierende Schüler nichts verrichten können. Nach knapp einem Jahr muss ich sagen, ich habe mich getäuscht – zum Glück. Greta Thunberg redet vor den Vereinten Nationen, wird wie ein Staatsgast empfangen und ihre Worte werden weltweit verbreitet. Dazu kommt ein hoher Druck auf die politischen Eliten. Nun wurde beschlossen, die Europäische Union will bis 2050 klimaneutral werden. Ich glaube ohne Fridays for Future wäre das nicht möglich gewesen. Als ich in Gretas Alter war, also vor acht Jahren, wurde mir gesagt, wie unpolitisch unsere Generation sei und dass niemand mehr auf die Straße gehen würde. Ich bin froh, dass die demonstrierenden Schüler von heute das Gegenteil beweisen.
Vor einem Jahr wäre eine Debatte wie heute kaum möglich gewesen. Und dabei gab es die Kämpfer fürs Klima schon viel früher. Schauspieler Leonardo di Caprio ist einer der aktivsten Kämpfer gegen den Klimawandel. Er unterstützt seit 1998 Klimaschutzprojekte mit seiner Stiftung, produzierte eine Doku über den Klimawandel und mahnt bei Gala-Auftritten seit Jahren um die Gefahren der Erderwärmung. Aber es sind wieder einmal Kinder, die das Thema dauerhaft auf die Tagesordnung bringen. Der damals neunjährige Felix Finkbeiner hielt 2007 ein Schulreferat über den drohenden Klimawandel. Danach entwickelte er die Idee in der ganzen Welt Bäume zu pflanzen, um CO2 zu kompensieren. Heute, 13 Jahre später, hat Finkbeiner mit seiner Organisation „Plant for the Planet“ 13,6 Milliarden Bäume gepflanzt, mittlerweile auch im Auftrag der Vereinten Nationen. Felix packt selbst an, pflanzt Bäume und mobilisiert weltweit Jugendliche es ihm gleich zu tun. Nun hat er das Ziel ausgegeben, eine Billion Bäume zu pflanzen und somit, laut eigener Berechnung, 25 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes zu binden.
Es braucht sowohl mehr Jugendliche wie Felix, als auch mehr wie Greta. Junge Menschen, die sowohl selbst etwas tun, aber auch jene, die den Politikern richtig einheizen. Es reicht nicht einen Baum zu pflanzen und zu hoffen, dass der Klimawandel aufgehalten werden kann. Aber es reicht auch nicht, sich jeden Freitag auf die Straße zu stellen und Parolen zu rufen. Beides ist wichtig. Und nur in der Masse bewirkt es auch etwas. Dann schaffen wir es, dass Anohnis Song eine Dystopie bleibt und wir auch noch in vielen Jahrzehnten dazu tanzen können.
Text: Tom Schmidtgen
Teaser: Photo by Jens Johnsson on Unsplash
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