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Ich, die wandelnde Gefahr

Den Kopf gesenkt, den Blick aufs Handy gerichtet und die Kopförer im Ohr – so und ähnlich sehen heutzutage die meisten Fußgänger aus. Doch wie gefährlich ist das Simsen und Posten im Straßenverkehr wirklich? Lien macht den Selbstversuch und hat sich einen Tag lang kritisch beobachtet.

14. November 2013 - 11:32
SPIESSER-Autorin Lien.
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Lien Offline
Beigetreten: 23.02.2011

7:30 Mein Handy klingelt. Ein sanfter „Walk in the forest“ soll es sein, was mein Klingelton mir da antut. Für mich klingt es um die Uhrzeit eher wie der „Highway to hell“.

8:00 Okay, okay, ich stehe ja schon auf! Und schlurfe ins Badezimmer. Das Handy kommt mit. Schließlich ist es meine Uhr – und die soll mich davor bewahren, dank Faultier-Slowmo zu spät zu meinem Nebenjob zu kommen.

8:10 Zähneputzen. Whatsapp-Nachrichten, Facebook- und Instagram Benachrichtigungen wollen beachtet werden. Was machen Menschen nachts sonst so, außer Candy-Crush-Spiele-Anfragen zu verschicken!?


Jetzt aber flott: Um pünktlich zu
sein, nimmt Lien die rote Ampel
mit.

8:38 Wooops, ich muss los! Links, rechts,über die Straße. Die Ampel fordert meine Geduld. Mist, der Bus ist schon da. An meinem zweiten Arbeitstag zu spät kommen oder bei Rot rüber? Ich renne. Puh, gerade so geschafft und gerade so nicht vom Auto überfahren worden.

8:43 Im Bus versuche ich mein rhinozerosartiges Atmen unter Kontrolle zu kriegen, und zwar mit: Musik. Während Prince mir einen Kuss ins Ohr haucht und ich mein Instagram durchforste, verpasse ich fast meine Haltestelle. Mist! Ich renne wieder.

9:00 Dank unfreiwilligem Morgensport beginnt der Arbeitstag pünktlich. Mein Blick wandert für die nächsten Stunden vom Handy zum Monitor… uuuuund wieder zum Handy.

Wir wollen eure Geschichten!

Schreibt einen Artikel, ein Gedicht, einen Songtext oder knipst eine Fotostrecke - ganz egal, hauptsache es dreht sich um brenzlige Geschichten im Straßenverkehr. Eure fertigen Werke könnt ihr hier einreichen:

13:00 Wo war nochmal der Suppenladen? Wie gut, dass mein Handy über ein Navi verfügt, auf das ich jetzt starre. Ich sehe weder Bordsteinkanten noch Straßenschilder und laufe schnurstracks am gesuchten Ort vorbei.

13:50 Der Hunger ist gestillt. Den Weg zurück finde ich sogar ohne Navi. Trotzdem bleibt das Handy in der Hand. Letzte Chance für Sozialkontakt!


Auch zusammen mit Freundin Mimi erhöht
sich Liens Aufmerksamkeit im Verkehr
nicht.

18:00 Feierabend! Ich mach mich auf dem Weg in die Stadt, um Mimi zu treffen. Schon auf dem Weg zu ihr poste ich ihr beim Gehen genau das auf die Facebook-Pinnwand. Bin ich wirklich so abhängig? Ooooh ja.

18:20 Mimi und ich reden über Gott und die Welt und halten unser Wiedersehen auf Schnappschüssen fest. Nicht nur einmal renne ich – Handy sei Dank – fast meinen Vordermann um. Aber das Bild MUSSTE auf Instagram hochgeladen werden.

21:30 Kein Handy, keine Musik. Ich bin etwas paranoid und habe Angst vor meinem dunklen Heimweg. Das macht ihn zum einzigen Teil meines Tages, an dem ich wirklich auf meine Umgebung achte.

Fazit: Mein Selbstversuch hat mich ernüchtert: Hallo, ich bin Lien und eine wandelnde Gefahr! Kopfhörer, die mich von der Außenwelt abschirmen, Freunde, mit denen ich ins Gespräch vertieft bin, Nachrichten, die meine Aufmerksamkeit verlangen – schön, aber nicht ohne. Überfahren lassen möchte ich mich für nichts davon.

Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit dem Deutscher Verkehrssicherheitsrat e. V. (DVR).

 

 

Text: Lien Herzog
Fotos: Benny Ulmer

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