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Das Internet vergisst nicht!

„Das werde ich dir noch in 100 Jahren vorhalten! Das vergesse ich nie!“ Nachtragende Menschen können ganz schön nerven. Beim Internet ist das leider nicht anders. Offline und ganz ohne Chatfenster zerbrechen sich Julia und Robert die Köpfe darüber.

05. January 2012 - 10:38
SPIESSER-Autor Robatt.
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Robatt Offline
Beigetreten: 27.04.2009

Robert Irgendwie ist es schon absurd. Ich glaube niemand würde seinen Freunden das eigene Tagebuch zum durchblättern hinlegen. Die Gedanken und Gefühle darin, schützt man sogar mit kleinen Vorhängeschlössern, damit niemand darin wühlen kann. Gleichzeitig lässt man aber die halbe Welt an unzähligen privaten Dingen teilhaben, die man ins Netz stellt.


Verdammte Datensammelwut – Julia mag ihre Daten
nicht hergeben.

Julia Das ist wahr. Wenn ich sehe, wie manche meiner „Online-Freunde“ ihr Privatleben zur Schau stellen, wird mir schlecht. Da kann ich ganze Beziehungsdramen und Schwangerschafts-verläufe verfolgen. Wie kann man nur so sorglos durch das Internet spazieren?

Robert Ich glaube, das Bewusstsein über das Verhalten im Internet, diese eEtiquette, ist noch lange nicht bei allen angekommen. Ich meine, ich gebe selbst eine ganze Menge online preis, aber ich kann das alles vertreten und finde es seriös.

Julia Bist du dir da tatsächlich des Ausmaßes bewusst? Ich selbst habe auch schon so einige Verlinkungen auf Bildern gelöscht. Denn auf Partyfotos oder Klassenfotos aus der Siebten möchte ich keinesfalls im Bewerbungsgespräch angesprochen werden. Soziale Netzwerke sind zwar darauf ausgelegt, sie mit persönlichem Inhalt zu füllen, aber es muss auch Grenzen geben.

Robert Diese Grenzen muss man sich selbst setzen. Lustigerweise wurde ich in meinem letzten Bewerbungsgespräch auf meinen Staubsauger-Job in Australien angesprochen. Mein Herz blieb kurz stehen, weil ich nicht wusste, woher die Chefin diese Information hatte. Später fiel mir ein, dass mein Twitter-Account öffentlich einsehbar ist. Genau da zeigt sich, dass eine gepflegte Onlinepräsenz positiv sein kann. Weil wir „Digital Natives“, quasi Internet-Pioniere sind, gibt es nur wenige ältere, die sich so gut mit dem Internet auskennen, dass sie uns etwas darüber erzählen können. Das heißt, Grenzen ausloten, müssen wir selbst und die paar Fachleute, die sich damit befassen.

Julia Dann wäre ein Ablaufdatum für Onlineaktivitäten ja ganz praktisch für dich, oder? Wenn du schon gar nicht mehr weißt, was du wo veröffentlicht hast? Gott, muss das peinlich sein, wenn man vom Personalchef auf seine digitalen Jugendsünden angesprochen wird!

Robert Was meinst du mit einem Ablaufdatum?


Da guck! Robert meint, er kann die Dinge vertreten, die
er online zur Schau stellt.

Julia Einträge in deinem Profil beispielsweise bei Facebook kannst du löschen. Aber eben nur in deinem Profil. Hat jemand deinen Inhalt geteilt und weiterverbreitet, dann hast du darauf keinen Zugriff und kannst es auch nicht mehr löschen. Das ist ein unaufhaltbarer Selbstläufer. Dabei ist dieses Teilen doch der Sinn von Netzwerken. Da wäre es nützlich wenn du einstellen könntest, dass Inhalte nach drei Monaten einfach gelöscht werden.

Robert Weißt du was das für ein Aufwand wäre? Man bräuchte einen Server, auf dem die Fotos und Videos abgelegt werden und auf die man dann verlinkt. Das heißt, jeder der das teilt, verweist nur wieder auf den Server. Sobald der Urheber aber die Datei löscht, gehen damit auch alle Verlinkungen ins Leere.

Julia Aber zwischenzeitlich könnte jeder die Datei herunterladen und weiterverbreiten. Dann nützt die ganze Sache doch wieder nichts. So eine riesige Umstellung für so wenig Nutzen? Dann kann man es auch gleich bleiben lassen. Und Nachteile hätte es auch noch. In Ländern mit Internetzensur könnten die Herrschenden viel einfacher gegenteilige Meinungen ausradieren, wenn sie nur noch eine Quelle löschen müssten.

Robert Na klar, war es nicht der Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, der einmal meinte, die Politik solle die Finger davon lassen, das Internet regulieren zu wollen? Dem stimme ich absolut zu. Wenn die Politik sich im Internet einmischen will, dann kommt es zu so grotesken Vorschlägen wie Sperren für Kinderpornografie-Seiten, weil die Politiker den technischen Hintergrund gar nicht verstehen. Das Internet lässt sich nicht auf nationale Grenzen beschränken. Durch Umwege über Server in anderen Ländern könnte man immer noch darauf zugreifen.

Julia Vermutlich muss man in den Schulen ansetzen und die Jüngsten belehren. Hier muss Aufklärung stattfinden!

Robert Du meinst so wie bei HIV oder dem Rauchen? So wie andere Länder abgestorbene Körperteile auf Zigarettenschachteln kleben, könnte man Abschreckung betreiben. Ich habe es schon vor mir, Plakate von Partybildern und dem Schriftzug: „Ich habe dieses Foto ins Internet gestellt, meinem Chef hat es nicht gefallen.“ Ich meine, das Internet ist nicht böse. Viele Nutzer nutzen es einfach zu unbedacht, das muss sich ändern.


Geht so Datenschutz?

Julia Nein, Angstmacherei wäre falsch, denn digitale Abstinenz ist auch keine Lösung. Es geht darum, besser über die Gefahren Bescheid zu wissen. Bin ich mir über die Konsequenzen von HIV bewusst, nutze ich Kondome. Sind mir die Auswirkungen meines Handelns im Internet bewusst, dann verhalte ich mich so, dass nichts schiefgehen kann.

Robert Das klingt logisch. Nur leider ist das beim Datenverkehr ein wenig komplexer als beim Geschlechtsverkehr.

Julia Das weiß ich doch. Aber irgendwo muss man anfangen! Ein Kompetenzteam aus IT-Fachleuten, Kommunikationstrainern und Arbeitgebern, die in einem Bus durch Deutschland fahren und Schulen besuchen, um dort ein Bewusstsein zu schaffen, das wäre großartig!

Ihr seid Nutzer auf spiesser.de und somit keinesfalls digital abstinent. Wie geht ihr eigentlich mit euren Daten im Internet um? Kommt ihr mit AGBs und Privatsphäreneinstellungen klar oder müssen die Unternehmen von der Politik beschränkt werden?
Sagt eure Meinung und nehmt am Wettbewerb "Vergessen im Internet" teil. Tretet in einer der drei Kategorien "Bewusstsein schärfen", "Umgangsformen und Regeln" oder "Technik des Vergessens" an und gewinnt 5.000 Euro!
Teilnahmeschluss ist der 31. Januar 2012!


Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit "Vergessen im Internet" entstanden.
 

Text: Robert Weinhold
Fotos: Robert Weinhold

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Kommentare

Elf Kommentare
  • meine meinung

  • Was ich gerade noch zum Thema gefunden hab (aber schon x Mal vorgekommen ist):
    http://abcnews.go.com/Technology/angie-varona-14-year-unwillingly-intern...

  • gefällt mir auch.

    ich bin auch oft verwundert, was manch einer von sich alles preisgibt...aber wirklich schlimm finde ich es meistens nicht. Klassenfotos aus der 7., oder auch das ein oder andere Partyfoto ... da gibt es wohl Schlimmeres! :)

  • Gut Diskutiert das Thema!

    Ich finde ebenfalls, dass jeder selbst darauf achten muss, was er im Internet preis gibt. Für unsere Generation war ja noch alles neu und wir mussten uns selber zurecht finden, aber mit der Zeit hat man gelernt, was im Internet geht und was nicht. Und das müssen wir folgenden Generationen auch vermitteln. Dass nicht jedes Detail online sein muss.
    Dafür fände sich soetwas wie "Medienerziehung" in der Schule ganz gut, wo auch über Fernsehn und Printmedien gesprochen wird und sich damit kritisch auseinander gesetzt wird.

    Und ich finde ehrlich, wer heutzutage noch davon überrascht ist, dass sich Dinge im Internet verbreiten und man sie ggf. nicht mehr rausbekommt ist irgendwie selbst schuld.
    Sollte sich ja schon ein wenig rumgesprochen haben, was da so alles möglich ist.

    Edit:
    Ich hab das Thema auch am Jahres Anfang mal angesprochen, genau mit dem gleichen Titel :D
    https://www.spiesser.de/meinung/das-internet-vergisst-nicht
    Mal ergänzend noch dazu :)