Präsidentschaftswahl Frankreich 2017

Macron vs. Le Pen: Was denken junge Franzosen?

Wer in den Elysée-Palast, in den Amtssitz des Präsidenten, einziehen möchte, muss sich in Frankreich zwei Wahlen stellen. In der ersten Runde am 23. April wurden die beiden stärksten Kandidaten ausgewählt, in der zweiten geht’s nun ums Ganze! Doch was denken junge Franzosen über die Wahl? SPIESSER-Autor Tom hat nachgefragt.

05. May 2017 - 11:02
SPIESSER-Autor tom.schmidtgen.
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tom.schmidtgen Offline
Beigetreten: 11.08.2012

Darum geht’s bei dieser Wahl

In der Stichwahl sind der europafreundliche Emmanuel Macron mit seiner erst im letzten Jahr gegründeten Bewegung „En Marche“ (In Bewegung) mit 24 Prozent und Marine Le Pen vom „Front National“ (Nationale Front) mit 21 Prozent. Sie ist nach ihrem Vater die zweite Rechtsextreme in der Stichwahl. Unterschiedlicher könnten die zwei Kandidaten für die Stichwahl also nicht sein. Erstmals haben es die Kandidaten der etablierten Parteien, die rechten Republikaner und die linken Sozialisten, nicht in die Stichwahl geschafft.

Der erst 39-Jährige Macron steht für die Europäische Union, für umfangreiche Wirtschaftsreformen und einen Abbau des großen Staatsbauchs. Le Pen, die Tochter des rechtsextremen Parteigründers, will Frankreich aus der EU haben, die Grenzen kontrollieren und Franzosen gegenüber Ausländern bevorzugen. Doch wollen junge Franzosen überhaupt den einen oder die andere? Hierfür hat SPIESSER-Autor Tom fünf junge Menschen aus Lyon befragt, die alle Jura oder Politikwissenschaft studieren.


Anouk (19) hat sich erst in der Kabine
für einen Kandidaten entschieden.
Die Jugend wird kaum repräsentiert

Unterschiedlicher könnten die Meinungen kaum sein. „Mir ist die Wahl relativ gleichgültig. Ich bin daran nicht wirklich interessiert“, sagt Anouk (19). Sie entschied sich erst in der Wahlkabine für den kommunistischen Kandidaten Jean-Luc Mélonchon, der 19 Prozent erreichte. Für Charline (23) sieht das anders aus. Sie war für den sozialistischen Kandidaten Benoït Hamon, der nur 6 Prozent der Stimmen erhielt. „Überraschend war das Ergebnis nicht. Alles lief auf Macron und Le Pen hinaus. Jetzt habe ich nur Angst, dass Le Pen gewinnt“, erklärt sie. Deshalb werden beide für den parteilosen Kandidaten Macron stimmen.

Etienne (21) ist enttäuscht. Er war ebenfalls für den links-außen Kandidaten Mélonchon. „Wären er und Hamon zusammengegangen, wäre ein linker Kandidat in der Stichwahl. Nun weiß ich nicht, für wen ich stimmen soll.“ Beide Kandidaten der Stichwahl sprechen ihn nicht an. „Zur Wahl gehe ich auf jeden Fall. Das gehört zur Demokratie dazu. Aber entweder wähle ich Macron oder Le Pen oder mache vote blanc.“ Das bedeutet man gibt eine ungültige Stimme ab, um seinen Unmut über die Wahl auszudrücken – ein typisch französisches Phänomen. Es wird vermutet, dass diesmal mehr junge Franzosen so abstimmen werden, da kein linker Kandidat mehr im Rennen ist. Denn immerhin 30 Prozent der 18 bis 24-Jährigen haben Mélonchon gewählt, 21 Prozent sogar Le Pen und nur 18 Prozent den Wahlsieger Macron.


Benjamin: „Macron versprüht im
Gegensatz zu Le Pen Optimismus.“
Probleme der jungen Erwachsenen

Frankreichs Jugend ist verzweifelt. Jeder Vierte unter 25 ist ohne Job. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei 8 Prozent. Ein Grund ist der unflexible Arbeitsmarkt, in dem es unkündbare Arbeitsverträge gibt und deshalb Job-Neueinsteiger nur befristet eingestellt werden. Ein anderer Grund ist das Bildungssystem: 85% der Schüler machen Abitur, was dieses massiv entwertet. Deshalb müssen Abiturienten noch ein vorbereitendes Jahr absolvieren, bevor es an die Uni geht. Das können sich nur reiche Familien leisten. Ausbildungen werden als schlecht angesehen, fast nur Schulabbrecher machen eine. All das wollte der noch amtierende Präsident François Hollande ändern, scheiterte aber an landesweiten Generalstreiks. Weil er seine Versprechen nicht einhielt, ist die Jugend desillusioniert. Macron will nun an all diese Probleme ran und dafür auch Arbeitnehmerrechte schwächen. Diese liberalen Reformen machen vielen aber noch mehr Angst, was die Jugend bei der Wahl in die beiden Extreme trieb.

Macron macht Mut für die Zukunft

Positiv sieht diesen Liberalismus Marceau (20): „Macron ist der beste Kandidat. Ich bin glücklich, dass er der nächste Präsident wird. Er wird den Riss zwischen den Linken und den Rechten überbrücken können.“ Auch Benjamin (21), Franco-Kanadier, meint: „Macron versprüht im Gegensatz zu Le Pen Optimismus. Mit ihm kann Frankreich wachsen und eine neue Wirtschaftsmacht werden. Das Potenzial ist ja da.“ Dem widerspricht Anouk: „Er wird keine Katastrophe anstellen, aber auch nichts ändern.“ Charline ergänzt: „Immerhin ist er wirklich jung. Er hat Energie und vertritt uns Jungen.“ Ob Emmanuel Macron der jüngste französische Präsident aller Zeiten wird, zeigt sich nach der Stichwahl am 7. Mai.

 

Text & Fotos: Tom Schmidtgen

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Kommentare

Jetzt bist du dran!
  • tom.schmidtgen
    Präsidentschaftswahl Frankreich 2017

    „Macron président!“ – Was können wir erwarten?

    Der 39-Jährige Emmanuel Macron wurde am 07. Mai zum jüngsten französischen Präsidenten gewählt. In der Stichwahl setzte er sich gegen die rechtsnationale Marine Le Pen durch. Was ist Macrons Programm und was können junge Franzosen und wir Deutschen von ihm erwarten?

  • Marteena
    Präsidentschaftswahl Frankreich 2017

    Da waren’s nur noch zwei

    Am vergangenen Sonntag mussten sich die Franzosen zwischen elf Kandidaten für das Präsidentenamt entscheiden. Nun ist es sicher: In der Stichwahl am 7. Mai tritt die rechtsextreme Marine Le Pen vom Front National gegen den parteilosen, sozial-liberalen Emmanuel Macron an. Ein kurzer Überblick