Sport & Gesundheit

Vorurteile vs. Leistungssport

Kegeln? Das machen doch nur alte Opas in ihren Dorfkneipen zum Spaß. Denkste! Eine Freundin von SPIESSER-Autorin Maxi betreibt Kegeln als Leistungssport. Wie, warum und überhaupt, hat Maxi sie für euch gefragt.

26. April 2018 - 16:56
SPIESSER-Autorin Miliane.
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Miliane Offline
Beigetreten: 20.01.2014

Ich bin auf dem Weg in ein Café, um mich mit Tanja zu treffen. Das ist erstmal nichts Ungewöhnliches – Tanja ist eine gute Freundin, die ich schon mehrere Jahre kenne. Doch diesmal habe ich eine besondere Mission: Ich möchte mehr über Tanjas Sport erfahren, denn sie kegelt. Und nein, sie ist weder über 40 noch im lustigen Frauenstammtisch „Die Schnapsdrosseln“. Sie ist 23 und betreibt das Kegeln als Leistungssport. Ja, das gibt es tatsächlich. Und ja, das machen auch junge Menschen.

Ich oute mich natürlich direkt als Kegel-Laie, kenne ich die Sportart doch nur durch Familienausflüge. Doch selbst da ist der letzte Kegelbahnbesuch mindestens zehn Jahre her. Meine Vorurteile: Das ist doch total altmodisch. Das machen doch nur Opas, die sich mit verschiedenen Stammtischparolen gegenseitig zu übertreffen versuchen oder nervig kreischende Frauengruppen, die mit lustig bedruckten T-Shirts und ihren „Mädels“ einmal im Jahr nach Malle fliegen. Tanja passt da allerdings so gar nicht rein und deswegen interessiert mich, wie sie überhaupt zu diesem Sport gefunden hat und was das Kegeln als Leistungssport von der mir bekannten Freizeitunterhaltung unterscheidet.


Model: Vanessa Kibbieß
Deutsche Meisterin mit 14 Jahren

Angefangen hat sie mit acht Jahren im örtlichen Kegelverein, weil ihre Mutter dort das Kegelteam trainierte und auch ihr Vater und ihre ältere Schwester dort spielten. Es machte ihr Spaß, sie blieb dabei, nahm an Turnieren teil und kegelte im U14 und U18 Hessen-Team. Mit 14 Jahren erzielte sie auch ihren größten Erfolg: Sie wurde mit der Mannschaft Deutsche Meisterin.

Mittlerweile ist sie seit 15 Jahren dabei und Vorurteile begegnen ihr viele, wenn sie von ihrem Sport erzählt. „Das ist doch gar kein Sport“, bekommt sie zu hören. „Da geht es doch nur ums Saufen und Schnitzel Essen“ – übrigens auch eine meiner Bemerkungen. Tanja erklärt mir, dass zwischen dem Freizeitspiel und dem Leistungssport unterschieden wird. Sie muss trainieren, um sich für Turniere vorzubereiten, während Freizeitkegler den Sport nicht auf Leistungsniveau betreiben. Ein Vorurteil stimmt allerdings zumindest ein bisschen: „Klar, es kommt auch mal vor, dass manche von uns nach dem Training noch zusammensitzen, wie es auch viele Fußballmannschaften nach dem Training machen. Während des Trainings kommt das aber nicht vor und bei Turnieren herrscht striktes Alkoholverbot.“

„Das ist doch überhaupt nicht anstrengend“ – auch das ist ein Vorurteil. „Natürlich ist es anstrengender, einen Marathon zu laufen“, sagt Tanja. „Aber wenn du eine Stunde lang mit der fast drei Kilogramm schweren Kugel spielst, dich konzentrierst und dabei eben keine Essenspause machst, bist du auch ganz schön verschwitzt.“

Davon abgesehen, ist natürlich auch die Technik wichtig. So besteht Tanjas Training daraus, verschiedene Techniken zu trainieren und zu verfeinern. „Ich trainiere einmal pro Woche. Wir wärmen uns meistens mit Joggen auf und dehnen uns dann noch. Danach kommt das Techniktraining, bei dem wir uns auf bestimmte Kegel oder Bilder konzentrieren.“ Ich lerne, dass es in den Turnieren darum geht, am meisten Holz zu erzielen, also am meisten Kegel umzuwerfen und dabei so wenige Würfe wie möglich zu brauchen.

Model: David Schulz

Die Kegelnregeln

Beim Kegeln gibt es neun Kegel. Unterschieden wird in Damen- und Herrenklasse. Ein Spiel der Damenklasse besteht aus 100 Würfen auf zwei Bahnen, wobei davon in 50 Runden in die Vollen gespielt wird, das heißt, dass nach jedem Wurf alle Kegel wieder aufgestellt werden. In der zweiten Hälfte geht es ums Abräumen. Dort wird so lange gespielt, bis alle Kegel umgefallen sind, danach wird erst wieder das volle Bild aufgestellt. In der Herrenklasse läuft es genauso ab, nur dass das Spiel aus 200 Würfen besteht. Gekegelt wird einzeln und in Teams. Ein Team besteht, je nach Liga, aus vier bis sechs Keglern. Eine Kugel wiegt etwa 2,85 Kilogramm und hat einen Durchmesser von rund 16 Zentimetern. Anders als beim Bowling, haben die Kugeln im Sportkegeln keine Grifflöcher. Eine Kegelbahn ist 19,50 Meter lang und 1,50 Meter breit.

Mittlerweile spielt Tanja in einer Damenmannschaft in der Regionalliga. Was allerdings stimmt: So populär ist die Sportart nicht. Tanja erzählt: „In den Mannschaften in unserer Liga gibt es nicht so viele junge Leute. Pro Mannschaft sind vielleicht zwei Leute unter 30 Jahren.“ Wie lange sie noch weiter kegeln möchte? So lange sie eine gute Trainingsmöglichkeit und ein gutes Team hat. Na dann: Gut Holz!

 

Text: Maximiliane Schmidt
Fotos: Christian Schneider

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