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Völlig schwerelos

Pizza aus dem 3D-Drucker, Anzüge namens Gandolfi und das ausrangierte Flugzeug der Bundeskanzlerin. SPIESSER-Autor Maximilian war für euch beim Tag der Luft-und Raumfahrt in Köln dabei und hat sich faszinieren lassen.

25. September 2015 - 15:13
SPIESSER-AutorIn max_mue.
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max_mue Offline
Beigetreten: 11.11.2011

Alle zwei Jahre ist das weitläufige Gelände des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) unweit des Köln-Bonner Flughafens ein Mekka für alle Weltraum-Fans. So auch für mich. Zusammen mit tausenden anderen Abgespacten lass ich mich fast schwerelos durch die neuesten Erkenntnisse aus der Wissenschaft treiben und erfahre Erstaunliches.


Voll bepackt, geht's ab zum Mond.
Im Meer wird für Mondmission geübt

Die Menschheit malt sich ein Leben auf dem Mond aus. Doch gibt es da oben wirklich Leben, könnten wir Erdenbewohner übersiedeln? Um das herauszufinden, forschen Wissenschaftler hier auf der Erde und auf Mondmissionen. Und die müssen geübt werden.

Das geht am besten unter Wasser. Ganz wichtig ist dabei der passende Anzug – wie der rund 20 Kilogramm schwere „Gandolfi 2“ der französischen Firma Comex. „Gandolfi 2“ ist weiß, besitzt einen überdimensionierten Helm mit einem großen Visier. Die Gelenke an Ellenbogen und Knien sind mit großen, kräftigen Federn ausgestattet. „Die Federn simulieren die Bewegungseinschränkung. Unter Wasser können die Astronauten perfekt üben, weil man dort die Schwerelosigkeit sehr gut imitieren kann. Diese Tests werden wir im nächsten Jahr durchführen – Gandolfi 2 ist erst vor 15 Tagen fertig geworden“, schmunzelt Dr. Peter Weiß von Comex.

Beim DLR gibt es ein spezielles Gebäude, indem die Astronauten unter Wasser damit üben können. Ein besonderer Schwerpunkt ist das Training mit den Handschuhen, damit dann im All auch jeder Griff sitzt. Comex hat in einer Meeresbucht vor Marseille auch mehrere sogenannte „Spots“, die der Mond-Oberfläche ähneln und damit perfekt für die Übungseinheiten sind.


Yammi, Essen aus dem Drucker.
Weltraumnahrung aus dem 3D-Drucker

Im Ausstellungszelt von Altec Spacefood, einem italienischen Hersteller von Weltraumnahrung, gibt es kein Vor und Zurück mehr. Unzählige Kinder drücken sich die Nasen vor einem 3D-Drucker platt und greifen mit ihren kleinen Fingern nach Plätzchen, die auf einem Tisch liegen. So sehen die kleinen, runden Teig-Produkte jedenfalls aus – sie dampfen sogar noch, sie sind druckfrisch.

Der Drucker unterscheidet sich kaum von anderen 3D-Druckern, allerdings druckt er Lebensmittel statt Plastikteile. Alles, was man beispielsweise für eine Pizza benötigt, befindet sich in einer unauffälligen Stahlkapsel. Die wird in den Drucker gesteckt. Per Fingerdruck startet der Vorgang und das Abendessen ist gar nicht mehr weit.

„Auf der Internationalen Raumstation ISS können sich die Astronauten in Zukunft so selber ihre Mahlzeiten zubereiten – egal, was es ist, es wird eine nie dagewesene Vielfalt geben“, erklärt eine der Mitarbeiterinnen am Stand.

Ganz besonders freut sich darüber der deutsche Astronauten-Star Alexander Gerst. „Die Weltraumnahrung ist sehr gut und nahrhaft – und ja, sie schmeckt auch. Zumindest in den ersten 100 Tagen“, berichtet Gerst augenzwinkernd. Der deutsche Astronaut war 166 Tage auf der ISS und umrundete die Welt etwa 2.500 Mal. Am 10. November 2014 kehrte er wieder auf die Erde zurück.

Einen kleinen Wehrmutstropfen gibt es allerdings: Man kann derzeit nur eine rohe Pizza drucken. Bevor die Astronauten ihre Pizza verdrücken können, muss sie noch in den Ofen. Im Weltall ist das allerdings eher unpraktisch. Bald soll der 3D-Drucker aber verzehrfertig produzieren können.


Früher saß hier Angela Merkel drin, heute werden
mit dem Flugzeug Parabelflüge gemacht.
22 Sekunden schwerelos

Es ist sehr hell im A310 Zero-G von Airbus. Die Sitze wurden nahezu komplett ausgebaut, die Fenster wurden verklebt. Fangnetze, Haltegriffe und ein extrem weicher Boden fallen besonders auf. „Wir befinden uns im europaweit einzigen Parabelflugzeug. Seit Ende April steht uns dieses neue Flugzeug zur Verfügung, um wissenschaftliche Experimente in Schwerelosigkeit durchzuführen“, erklärt Dr. Katrin Stang vom DLR-Raumfahrtmanagement.

Seit 1999 führt das DLR Parabelflüge durch, 15 Jahre lang nutzten die deutschen Wissenschaftler und Ingenieure den Vorgänger-Airbus A300 Zero-G. Nach 5.200 Flügen, 4.200 Flugstunden und 13.180 Parabeln wurde das Flugzeug durch den ehemaligen „Kanzler-Airbus“ ersetzt. Da, wo sonst Bundeskanzlerin Angela Merkel und Co saßen und hoch über den Wolken über die Politik diskutierten, schweben nun Wissenschaftler durch das Flugzeug.

„Die Experimente hier an Bord sind sehr unterschiedlich. Wir haben medizinische, biowissenschaftliche aber auch materialwissenschaftliche Experimente im Zero-G“, erzählt Wissenschaftlerin Stang. Von der Experimentidee zur Ausführung dauert es knapp ein Jahr – und kostest gerne mal mehr als eine Million Euro. Hier ist alles ziemlich viel und ziemlich groß.


In der Schwerelosigkeit werden die
Gehirnströme untersucht.

Wie der Name des besonderen Flugzeuges schon sagt, fliegt es Parabeln, also sehr steile Kurven – beispielsweise über der Nordsee. Eine gesamte Parabel dauert eine Minute und zehn Sekunden. Aus einer Höhe von 6.100 Metern, steigt das Flugzeug in einem 47-Grad-Winkel auf 7.600 Meter – diese Phase dauert 20 Sekunden. Hierbei wirkt auf Personen und Geräte im Flugzeug das 1,8-fache der normalen Erdbeschleunigung in Richtung Flugzeugboden. Das heißt, dass alles 1,8-mal so schwer wie auf der Erde ist – diese Phase nennt man auch Hyper-Schwerkraft. Von 7.600 Metern geht es dann steil auf 8.500 Kilometer: Die Schwerelosigkeit ist erreicht und dauert 22 Sekunden an. In einem 42-Grad-Winkel sinkt das Flugzeug dann mit einer Geschwindigkeit von 825 Kilometern pro Stunde wieder in den Bereich der Hyper-Schwerkraft. Pro Flug werden rund 31 Parabeln geflogen.

Dr. Tobias Vogt vom Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft der Sporthochschule Köln erforscht mit dem Zero-G beispielsweise, wie sich das Gehirn in der Schwerelosigkeit verhält. „Wir setzen der Testperson eine Kappe mit ganz vielen Elektroden auf und machen eine Elektroenzephalografie, ein EEG, und werten das dann aus“, berichtet Dr. Vogt. Dabei habe man festgestellt, dass das Gehirn in der Schwerelosigkeit manchmal besser arbeite – woran das liegt, wisse man noch nicht. In der Schwerelosigkeit ist man also klüger, als auf der Erde. Na das sind doch gute Aussichten.

Text und Fotos: Maximilian Mühlens

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