Die Eltern sagen: Lern was Richtiges, womit du auch mal Geld verdienen kannst, denn wenn du deine Leidenschaft zum Beruf machst, hast du bald keinen Spaß mehr dran. Aber stimmt das? Unsere SPIESSER-Autoren Sophia und Pierre sind da geteilter Meinung.
Die große Frage lautet: Ist es eine gute Idee, sein liebstes Hobby auch beruflich zu machen?
„Ein Beruf, bei dem man seiner Leidenschaft nachgeht, steigert auch die Lebensqualität und Zufriedenheit.“
In der Schulzeit habe ich mir oft die Frage gestellt, was ich wirklich gut kann und was ich später einmal machen möchte. Schon im Alter von zwölf Jahren stand für mich fest, dass ich mit dem Schreiben einmal mein Geld verdienen werde. Schreiben kann ich gut. Schreiben macht mir Spaß. Ich nahm also meine Fähigkeit des Schreibens und habe mir überlegt, was ich damit beruflich machen kann. Ich wollte kreativ sein. Ich wollte die Herausforderung und direkt mit Menschen arbeiten. Ich wollte (und will auch heute noch) mit meinen Worten etwas bewegen.
Also bin ich meinen Weg zum Wunschberuf über mein Hobby gegangen – und das kann ich nur jedem raten! Warum soll ich 40 Jahre oder länger einen Job ausüben, der mir zwar meine Brötchen auf den Tisch bringt, aber leider so gar keinen Spaß? Für mich kam das nie in Frage! Die Studie „Meaning of Work, Deutschland 2020“ im Auftrag der Jobseite Indeed gibt mir Recht: 2.042 Arbeitnehmer wurden dort gefragt, was ihnen im Job am wichtigsten ist. Das Ergebnis: Spaß an der Arbeit kommt noch vor dem Gehalt und der Selbstverwirklichung. Außerdem bin ich der Meinung, dass durch einen Beruf, bei dem man seiner Leidenschaft nachgeht, auch Lebensqualität und Zufriedenheit gesteigert werden. Einige Forschungen deuten auch darauf hin, dass Erkrankungen wie Burnout oder Depressionen durch eine Arbeit, die Spaß macht, reduziert werden könnten.
Ich finde, wir alle sollten weniger aufs Geld schauen, sondern vielmehr darauf, ob der erlernte Beruf auch unser Leben erfüllt. Wir wollen uns doch alle weiterentwickeln und frei entfalten. Hobbys können einfach ein guter Wegweiser für die Berufswahl sein. Wenn jemand also gerne Sport macht, muss diese Person zwar nicht gleich Profi werden, aber kann Studium oder Berufsausbildung danach ausrichten. 2016 hat das Meinungsforschungsinstitut TNS Infratest eine Umfrage zum Traumberuf der Deutschen gestartet. Darin wird ersichtlich, dass besonders Jugendliche und junge Erwachsene der Überzeugung sind, dass der Traumberuf kein Traum bleiben muss. In der Altersgruppe der unter-30-Jährigen gaben sogar rund 66 Prozent an, aktuell ihren Wunschberuf auszuüben. Ich finde das großartig!
Heute, nachdem meine Schulzeit schon über zehn Jahre her ist, blicke ich auf dieses kleine zwölfjährige Mädchen zurück, das damals vom Schreiben geträumt hat – und bin froh, dass sie es tat! Ich habe inzwischen Kunstgeschichte und Journalismus studiert und bin gerade noch in der Weiterbildung zur Drehbuchautorin. Ich tue das, was mich erfüllt. Ich habe mich 2019 mit meiner Schreiberei sogar selbstständig gemacht. Mein Motto: Freiheit vor Sicherheit (und ja, damit kann man Geld verdienen!). Freiheit bedeutet für mich auch, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Klar gibt es Dinge, die mal nicht so gut laufen in der Selbstständigkeit. Aber die Verantwortung liegt dann auch zu hundert Prozent bei mir. Meine Selbstständigkeit lässt mich wachsen. Für mich ist genau das der richtige Weg.
Text von Sophia Förtsch, 28, geht Bouldern oder ins Kino, wenn ihr die Schreiberei mal über den Kopf wächst.
Teaserbild: Paula Kuchta
„Hobbys sind genau deshalb so schön, weil sie das Gegenteil eines Jobs sind.“
Viele Dinge können ein Hobby sein. Ein Instrument erlernen. Eine Wohnung voller Pflanzen grün und lebendig halten. Im Tierheim Katzen streicheln. Stundenlang kleinste Felder eines Mandalas ausmalen. Fünf-stöckige, aufwendig verzierte Torten backen. Sogar Münzen oder Briefmarken sammeln. Aber vor allem sind all diese Dinge eines nicht: ein Job.
Die Vorstellung, aus dem liebsten Hobby einen Beruf zu machen und damit den ganzen Tag lang nichts anderes mehr machen zu müssen, hatte sicher jeder schon. Wie oft habe ich schon von einer neu entdeckten Leidenschaft erzählt, und die erste Reaktion eines Freundes war: „Damit könntest du richtig Kohle machen!“ Und im ersten Moment klingt es natürlich auch absolut traumhaft, zum Beispiel Geld damit zu verdienen, das liebste Computerspiel zu zocken. Oder die liebevoll selbstgestrickten Socken im Internet zu verkaufen.
Das Problem ist jedoch: Ist die eigene Leidenschaft einmal dem Zwang einer kapitalistischen Verwertungslogik unterworfen, macht sie längst nicht mehr so viel Spaß. Denn Hobbys sind doch gerade deshalb so schön, weil sie genau das Gegenteil eines Jobs sind. Niemand sagt mir, was ich zu tun habe und wann. Niemand bewertet die Ergebnisse meiner unbeholfenen Basteleien. Und das beste von allem: Es gibt keine Deadlines!
Hobbys zeichnet es aus, dass sie stattfinden, wenn die Arbeit getan ist und endlich Raum für freie Entfaltung ist. Keine Ahnung wie es euch geht, aber ich möchte mich mit meinem Hobby entspannen – und mir nicht noch mehr Stress aufhalsen. Die hoch gepriesene Work-Life-Balance ginge damit sicher auch flöten. Denn, wer für die eigene Arbeit richtig brennt, ist auch schneller bereit, Überstunden zu machen. Es wird dann also umso schwerer, am Ende des Tages zu entspannen.
Denn um nach der Arbeit Stress abzubauen, nutzen wir laut einer Stressstudie der Techniker Krankenkasse von 2016 vor allem unsere Hobbys. Vom Berufsleben verursachter Stress lasse sich demnach vor allem dann nicht ausgleichen, wenn es keine klare Trennung zwischen der Arbeit und dem Privatleben gebe und ich zum Beispiel auch nach Feierabend immer erreichbar bin. Wenn ich mein Hobby zum Beruf mache, sehe ich darin genau diese Gefahr. Die Leidenschaft für den Job ist eben eine gute Ausrede, um sich selbst keine Grenzen mehr zu setzen.
In der Leistungsgesellschaft, in der wir leben, wird uns vorgegaukelt, wir müssten alles zu Geld machen. Unseren Selbstwert verknüpfen wir sehr stark mit unserem beruflichen Erfolg. Dem gegenüber können sich vermeintlich sinnfreie Hobbys natürlich schnell wie verschwendete Zeit anfühlen. Klar, manchmal sitze ich auch vor etlichen Klopapierrollen, aus denen ich kleine, süße Koalafiguren gebastelt habe, und frage mich, wohin die Zeit verschwunden ist. Aber der Punkt ist, ich hatte Spaß dabei. Und ich habe für ein paar Stunden einmal nicht über meine Sorgen nachgegrübelt. Ich glaube, das beste Mittel gegen den Verlust des eigenen Selbstwertgefühls in unserer Leistungsgesellschaft ist, sich wenigstens die eigenen Leidenschaften zu bewahren. Ganz für sich selbst. Als im Sinne des Kapitalismus sinnfreie, damit aber auch stressfreie Tätigkeiten.
Text v on Pierre Hofmann, 26, möchte die Ergebnisse seiner Bastelarbeiten lieber nur den engsten Freunden zeigen, statt sie auf Plattformen wie Etsy zu verkaufen.