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Anpacken für unsere Welt

Hunger in der Welt
ist ein Skandal

Bei vielen Menschen sitzt aktuell die Angst tief, dass bald nicht mehr genügend Ressourcen zur Verfügung stehen, um ein Leben führen zu können, das unserem gewohnten Lebensstandard in Deutschland entspricht. Aber, wenn wir schon Versorgungsschwierigkeiten haben, wie sieht es dann im Globalen Süden aus? SPIESSER-Autor Alessandro Luca Wittke hat sich dazu mit dem Landwirtschafts- und Entwicklungsexperten Markus Wolter von Misereor unterhalten und erfahren, wo die konkreten Herausforderungen liegen, dem weltweiten Hunger entgegenzuwirken.

28. October 2022 - 13:22
SPIESSER-Redakteurin Onlineredaktion.
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Hungerten 2020 insgesamt 684 Millionen Menschen auf der Welt, so sind es inzwischen circa 828 Millionen, die in Nahrungsmittelunsicherheit leben. Das sind knapp 12,5 Pro-zent der Weltbevölkerung. Etwa ein Drittel dieser Menschen gilt als akut hungernd, leidet also durch Krieg oder Extremwetter-bedingungen wie Dürren oder Starkregen an Unterernährung. Auch die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg haben dazu beigetragen, dass sich die Hungersituation weltweit verschärft. Diese werde sich auch in Zukunft weiter zuspitzen, prognostiziert Markus Wolter von Misereor. Eine Lösung für die Bekämpfung des weltweiten Hungers bietet die Umstellung der Landwirtschaft. Um den Bedürfnissen der wachsenden Weltbevölke-rung in Zukunft gerecht zu werden, müssen wir die Ackerflächen, die uns zur Verfügung stehen, gut behandeln und sinnvoll nutzen.

Du willst das Misereor- Hilfswerk unterstützen?
Schon 9 Euro reichen, um eine Familie im Norden Kenias für eine Woche mit Maismehl, Reis, Bohnen, Öl und Handseife zu versorgen. Mehr Informationen zu den verschiedenen Spende- und Unterstützungs-Möglichkeiten gibt es auf www.misereor.de
Es ist genug für alle da

„Es gibt genug Ackerflächen, um die Welt zu ernähren, aber viele sind in einem schlechten Zustand“, erklärt Markus Wolter. „Durch die bisherige intensive Nutzung verlieren die Böden an Fruchtbarkeit. Der Humus-Gehalt verringert sich stetig, nicht zuletzt wegen des regelmäßigen Einsatzes von Pestiziden und Kunstdüngern. Hinzu kommt außerdem, dass Humus bei steigenden Temperaturen abgebaut wird.“ In Zukunft müsse die Fruchtbarkeit des Bodens erhalten und der Humusgehalt deshalb erhöht werden, sagt er. Die Lösung hierfür seien vor allem wirksamer Klimaschutz und eine Abkehr von Pestiziden und künstlichen Düngemitteln hin zu einer ökologischen Landwirtschaft.In einem nächsten Schritt sollte bei der Verwendung der angebauten Produkte um-gesteuert werden: In Deutschland werden nur etwa 20 Prozent der Anbauprodukte, wie zum Beispiel Mais und Weizen, für die direkte Ernährung der Menschen eingesetzt. Der Großteil wird für Tierfutter oder die Herstellung von Biotreibstoffen genutzt. Ähnlich ist es in anderen Teilen der Welt: Obwohl genügend Boden zum Nahrungs-mittelanbau zur Verfügung steht, geht ein Großteil nicht in die unmittelbare Nahrungsmittelproduktion. Hier entsteht eine Konkurrenz zur menschlichen Ernährung, denn die Nutzflächen, die für die Tierfutter- oder Treibstoffproduktion verwendet werden, begünstigen die Nahrungsmittelunsicherheit. Um die Lebensmittelversorgung in Zukunft zu garantieren, sollte die Landwirtschaft so umstrukturiert werden, dass Fleisch- und Treibstoffproduktion nur einen ge-ringen Anteil der Produktion einnehmen. Dafür braucht es Alternativen zu Biotreibstoffen und eine deutliche Verringerung des Fleisch-, Milch- und Eierkonsums.

Politische Bildung fördern, Gerechtigkeit fordern

MISEREOR-Mitarbeiter Markus Wolter
ist Fachmann für Landwirtschaft im glo-
balen Süden. © Fahlbusch/MISEREOR

Wenn man nach den Ursachen des Hun-gers fragt, erkennt man schnell, dass Unter-ernährung vor allem ein Armutsproblem ist. Aber auch fehlende Bildung ist ein Grund für Hunger. Wer keinen Zugang zu Bildungseinrichtungen hat, verfügt über keine guten Jobperspektiven und kann sich lang-fristig auch nicht selbst versorgen. Bildung bedeutet aber auch, aufgeklärt über seinen eigenen Körper, seine Gesundheit und menschliche Grundbedürfnisse zu sein, um sich entsprechend ernähren zu können.

Was also muss getan werden, wenn der Welthunger bekämpft werden soll? Akut müsste die Nothilfe ausreichend mit Geld ausgestattet werden. Außerdem sollten die Länder des Globalen Nordens dafür sorgen, dass Staaten mit hoher Armutsquote ihre Schul-den erlassen werden. Viele Länder, zum Beispiel in Afrika, sind so stark verschuldet, dass sie selbst kaum Maßnahmen ergreifen können, um den Hunger zu bekämpfen. Am wichtigsten sind aber langfristige und nachhaltige Ansätze, die dazu beitragen, dass Hunger in der Zukunft kein Thema mehr ist. Hier braucht es Bildungs- und Aufklärungsmaßnahmen. Ein Ansatz dabei ist, bei der landwirtschaftlichen Beratung zu beginnen. Dabei wird vermittelt, wie eine gesunde und vielfältige Landwirtschaft aussieht und wie man möglichst ökologisch wirtschaftet, sodass es bei jeder Ernte genügend Erträge gibt und die Böden dauerhaft fruchtbar sind. So ist eine langfristige Versorgung, auch für zukünftige Generationen, gesichert. Misereor arbeitet deshalb nach den Prinzipien der Agrarökologie. Dabei klärt Misereor darüber auf, wie eine Kreislaufwirtschaft erreicht, Tierhaltung gewinnbringend in die Landwirtschaft integriert und Nahrungsmittel möglichst vielfältig und über das ganze Jahr verteilt angebaut werden können.

Die vier Krisen

Aktuell gibt es auf der Welt vier große Krisen, durch die die Hungerproblematik weiter zugespitzt wird: die Erderhitzung, Kriege, die Corona-Pandemie und steigen-de Preise. Auch, wenn diese Krisen auf andere Probleme in der Welt hinweisen, zeigen sie doch deutlich, dass der Mensch ebenfalls in einer Abhängigkeitskrise stecke, so Markus Wolter. „Viele der Bauern sind abhängig von industriellen Düngemitteln, Saatgut und Pestiziden. Da sie diese zukaufen müssen, sind sie oft hoch verschuldet. Ein Prinzip der Agrarökologie ist es, so ökologisch und unabhängig von außen wie möglich zu wirtschaften.“Misereor unterstützt Projekte, um Menschen aus ebendieser Abhängigkeit herauszuhel-fen. Mithilfe des Agroforstsystems habe man bereits signifikante Erfolge erzielen können, so Markus Wolter. In der Agroforstwirt-schaft werden Baum- und Gemüse- oder Strauchkulturen miteinander kombiniert. Während die herkömmliche Landwirtschaft größtenteils mit Monokulturen arbeitet (sprich: Auf einem Stück Feld wächst nur ein bestimmtes Getreide wie Weizen, Mais oder Reis), kombiniert die Agroforstwirtschaft unterschiedliche Baumarten, Sträucher, Getreide- und Gemüsesorten mit der Tierhaltung. Diese Vorgehensweise bietet eine Vielzahl an ökologischen Vorteilen: Der Boden trägt sich nicht so schnell ab, durch Laub und verdorbene Wurzeln er-höht sich der Humus-Gehalt im Boden, durch die Pflanzenvielfalt gibt es mehr Lebensräume für verschiedene Tierarten, und die Bäume speichern CO2 aus der Luft. Außerdem können Bauern und Bäuerinnen mehr als ein Produkt zum Verkauf anbieten. Solche Agroforstsysteme haben sich als sehr krisenfest erwiesen – Vielfalt in der Erzeugung ist der Schlüssel dazu.

Engagement, bitte!

Hunger auf der Welt hat viele Ursachen und Facetten. Doch eines ist klar: Gerecht ist er in keinem Fall. Genügend zu essen zu haben ist ein Menschenrecht, für das wir uns einsetzen sollten. Zwar kann kein Mensch im Alleingang dem Hunger in der Welt ein Ende setzen, aber es gibt viele Möglichkeiten, sich in diesem Bereich zu engagieren. Durch politische Bildung und Aufklärungsarbeit können wir auf die Missstände hinweisen und unseren Beitrag dazu leisten, allen Menschen ein Leben in Würde zu ermöglichen. Und auch du selbst kannst durch einen maßvollen Fleischkonsum dazu beitra-gen, dass möglichst viele Lebensmittel direkt für die menschliche Ernährung eingesetzt werden und nicht im Futtertrog landen.

Text von Alessandro Luca Wittke, der sich ab sofort selbst mehr für Gerechtigkeit in der Welt engagieren will.
Fotos: Misereor

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