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Knoten in den Fingern

Ein Leben ohne digitale Kommunikation ist für uns kaum noch vorstellbar. Wie sie sich auf unser Verhalten auswirkt, erklärt uns Kommunikationswissenschaftler Wolfgang Donsbach von der Uni Dresden.

13. November 2009 - 15:26
SPIESSER-Autorin Westerngitarre.
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Westerngitarre Offline
Beigetreten: 18.08.2009

SPIESSER.de: Wie verändert sich unsere Sprache, wenn wir chatten und Mails schreiben?


Wolfgang Donsbach bekommt manchmal Knoten in den Fingern. Foto: Privat
 

Wolfgang Donsbach: Sie wird kürzer, informeller. Das, was man zum Beispiel an Stilmitteln beim Briefe schreiben hatte, geht verloren.

Und warum geben wir uns beim Mailen nicht so viel Mühe, wie beim Briefe schreiben?

Wenn wir uns hinsetzen, einen Füller nehmen und einen Brief schreiben, dann würden wir immer eine Anrede integrieren oder mit „Viele Grüße, Dein…“ unterschreiben. Das haben wir so gelernt. Was das Mailen angeht: Ich glaube, Mitte der 90er Jahre ähnelten E-Mails noch mehr einem Brief. Wenn man eine Inhaltsanalyse der E-Mail von den 90ern bis heute machen würde, könnte man sehen, dass Mails immer unförmlicher wurden. Das ist jedoch nicht mit dem Mailen geboren, sondern hat sich mit dem zunehmenden Mail-Verkehr entwickelt. Mails müssen einfach nur schnell gehen.

Wir lernen immer mehr Leute digital kennen. Wie wirkt sich das auf unsere sozialen Kontakte aus?

Wir lernen die Leute eben nicht mehr richtig kennen. Das ist der Unterschied. Ich kann mir die Mail-Adressen von Kollegen raussuchen, bei denen ich sage: „Die machen dasselbe wie ich. Ich will mit denen in Kontakt treten“. Aber ich kenne sie eben nicht. Sozialer Kontakt heißt mehr als nur in eine elektronisch-digitale Verbindung mit jemandem zu treten oder sich in eine virtuelle Welt zu begeben, in der man selbst auch eine zweite, virtuelle Identität hat. Es gibt aber bisher keine Studie, die zeigt, dass das intensivere Nutzen des Internets auf Kosten der realen sozialen Kontakte geht.

Inwiefern verändern digitale Hilfsmittel wie Taschenrechner oder Computer unser Lernverhalten?

Es lernt heute kaum noch jemand Latein. Dabei heißt es, Latein sei eine analytische Schulung, bei der man eigentlich nicht die Sprache, sondern bestimmte Denkformen lernt.
Beim Kopfrechnen ist es genauso: Man lernt auf eine bestimmte Art strukturiert an Problemlösungen heranzugehen. Das wird beides weniger. Aber es werden natürlich andere Fähigkeiten gelernt. Ich habe einen achtjährigen Sohn, der in allem, was mit dem Computer zusammenhängt – außer dem Schreiben von Büchern – besser ist als ich, weil er mit seinen Händen ganz viele Dinge gleichzeitig machen kann, bei denen ich sofort einen Knoten in die Finger bekomme. Dass man parallel möglichst viele Informationen bearbeiten und darauf reagieren kann, ist eine Fähigkeit, die ich nicht schlechter bewerten würde, als die Fähigkeiten, die wir früher hatten.

Momentan wird ja viel über digitale Bücher und Zeitungen gesprochen. Was glauben Sie? Werden wir in Zukunft noch gedruckte Zeitungen lesen?

Das muss man von verschiedenen Perspektiven betrachten: Rein betriebswirtschaftlich sieht es im Moment für den ganzen Printbereich ziemlich mau aus. Es wird wegen des Anzeigenverfalls ökonomisch schwieriger, das Geschäftsmodell einer Tageszeitung aufrecht zu erhalten. Außerdem glauben die Menschen heute nicht mehr, dass man sich über die wichtigsten Dinge in Wirtschaft und Politik auf dem Laufenden halten muss. Bei den Jüngeren ist das noch stärker auf dem absteigenden Ast als bei den Älteren. Viele sagen: „Ich schaue das ja alles im Internet nach.“ Das stimmt aber nicht. Die Nutzung des Internets für Nachrichten liegt bei der jungen Altersgruppe unter 20 Prozent. Das heißt, es gibt weniger Leute, die überhaupt das Produkt Zeitung nutzen, egal ob gedruckt oder online.

Kommen wir zu einer letzten Frage: Denken Sie, dass Bildung durch das Internet für jeden zugänglich ist und nicht mehr so sehr vom sozialen Stand abhängt?

Ich glaube nicht, dass Bildung im Internet allgemein zugänglich ist. Wenn man sich Bildung aus dem Internet herausziehen müsste, setzt das zum einen eine ungeheure Motivation voraus und zum anderen, dass man in der Lage ist, das Wissen auch zu sortieren und vor allem zu erkennen, was richtig ist. Die Funktion, die Schule hat, ersetzt das Internet nicht. Da muss man hingehen und dann sagt einem jemand: „Das ist richtig und das ist richtig.“
Das ist eine aberwitzige Vorstellung, dass die, die man die bildungsfernen Schichten nennt, sich jetzt vor den Computer setzen und sich die Bildung aus dem Internet heraussuchen. Eher sehe ich da einen gegenläufigen Effekt, nämlich, dass die vielen anderen Dinge, die man im Internet machen kann, einen davon abhalten für die Schule zu lernen.

 

 


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Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit 11 8 33, der Auskunft der Deutschen Telekom. Weitere Infos erhalten Sie unter www.11833.com.


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