Brief an …

Brief an ... das Frühstück

SPIESSER-Autoren schreiben Briefe. Diesmal schreibt sich Lea ihr schlechtes Gewissen aus dem Kopf.

05. November 2011 - 15:52
SPIESSER-Autorin Lea Sophie.
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Lea Sophie Offline
Beigetreten: 05.11.2011

Liebes Frühstück,

unser zwiespältiges Verhältnis schmerzt mich sehr. Wir treffen uns leider viel zu selten, aber wie können wir das ändern?

An Werktagen sehen wir uns erst vier Stunden nach dem Aufstehen oder gar nicht - schlechte Beziehung, finde ich. Deine Existenz in meinem Leben beschränkt sich auf einen minimalen Zeitraum. Schnell, schnell muss alles gehen, heimlich im Unterricht das Brot essen. In der Pause stehen schließlich wichtigere Dinge auf dem Plan: Hektisch Lehrer suchen, sich mit Freunden austauschen, schnell nochmal die Matheformeln durchgehen, Französischvokabeln lernen, die Toilette benutzen, verpeilten Mitschülern auf die Beine helfen, Liebeskummer-Tränen trocknen, das Wochenende planen oder bei meiner Freundin einen Tee trinken. Das Essen fällt da dummerweise flach.

Jeden Tag aufs Neue ist es mir peinlich, dich zu vernachlässigen, ja, ich schäme mich dafür. Am Wochenende kann ich mein schlechtes Gewissen dann auf Vordermann bringen und beruhigen. Stundenlang verbringe ich Zeit mit dir. Vor allem in der kalten Jahreszeit artest du häufig in ganztägliches Am-Tisch-sitzen-und-gemütlich-reden-und-in-Erinnerungen-schwelgen aus. Wunderbare Erinnerungen haben sich in meinem Kopf verankert und gerade deswegen will dich wieder mehr in mein Leben einbauen.


Foto: jugendfotos.de / Adriane Gonka

Ich bin Schuld an dieser einseitigen Beziehung. Mein allerliebstes Frühstück, es tut mir leid! Doch eine Lösung ist nicht in Sicht. Ich könnte mein Verhalten ändern, auf die zehn Minuten länger schlafen verzichten und mir Zeit für dich nehmen. Aber mein innerer Schweinehund ist zu groß, ich bin schwach in den Morgenstunden, drehe mich lieber nochmal um. Du bist leise und zurückhaltend, diese Eigenschaften schätze ich an dir, aber das macht es mir schier unmöglich, meine Augen bei dir zu lassen. Die Aufmerksamkeit schwindet zunehmend.

Früher war alles besser: In der Grundschule hast du mich aus dem Bett befördert und ich habe mich mit Liebe auf dich gestürzt. Mit dir und einem heißen Kaba war ich perfekt bedient. Doch jetzt, in der Oberstufe, in hektischen und stressigen Zeiten, ist die Distanz zu dir immer größer geworden. Ich will wieder zurück... Mein Tag hat mit dir begonnen und ich konnte mit einem Lächeln starten. Glücklich und zufrieden die Welt betreten, was bin ich ohne dich?

Ohne dich fehlt mir die Grundlage für einen guten Tag. Mein gesundheitsförderlicher Lebensstil leidet ohne dich. Du bist der erste Energiekick, bevor es in den stressigen Alltag geht. Du bist die wichtigste Mahlzeit des Tages - purer Genuss. Du bist nicht nur gut für die Nährstoffversorgung, sondern auch für das geistige und körperliche Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit bedeutsam. Ich brauche dich! Und doch vernachlässige ich dich. Ich erscheine nicht zu den abgesprochenen Zeiten und ziehe dir andere Gewohnheiten vor. Um dich genießen zu können, müsste ich mich endlich aufraffen, unsere Beziehung pflegen, einen Neuanfang starten. Würdest du es denn nochmal mit mir versuchen?

In Liebe und der Hoffnung auf einen Neustart,

Lea

Teaser: jugendfotos.de / Meli Maier

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Kommentare

Fünf Kommentare
  • ...schläfst du dan 40 Minuten länger ;)

  • Krass, wie schaffst du das? Ich esse das mal schnell in der Pause oder eben auch nicht. Eher nicht..

  • Dankeschön! :)

  • ...nehm ich mir mindestens für mein Frühstück.
    Schön mit Zeitung, und ohne Eile.
    So muss ein Frühstück auch sein!

  • Ein schöner Artikel! Ganz so wie du vernachlässige ich mein Frühstück zwar nicht, aber ich kenne das mit den zehn Minuten Schlaf, die sich dazwischen schieben echt gut!

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