„Twilight“, „New Moon“, „Eclipse“ und jetzt „Wir sind die Nacht“. Im Film ist es plötzlich attraktiv, tot zu sein. SPIESSER-Autor Rick versteht nicht, warum.
14. October 2010 - 15:16 von SPIESSER-AutorIn rick_n.
Eine Puppe. Das denke ich, als ich die Tür öffne und vor mir ein aufgeklappter Sarg liegt. Das kann nicht echt sein. Das darf nicht echt sein. Denn für mich ist der Tod vor allem eines: fremd. Särge setze ich gleich mit Horrorfilmen. Und ich habe Angst davor.
Romantisierung des Todes
Doch in Deutschland existiert inzwischen eine unüberschaubar große Fanszene, die das anders sieht und sich für Vampire begeistert. Der Tod ist für sie kein Grauen, sondern vor allem etwas Romantisches.
Unter anderen haben die Romane von Stephanie Meyer zum Vampirkult beigetragen. Foto: Carlsen Verlag
Das Drama „Twilight – Bis(s) zum Morgengrauen“ spielte weltweit 400 Millionen US-Dollar ein. Und auf dieser Erfolgswelle soll nun auch eine deutsche Produktion schwimmen. „Wir sind die Nacht“ startet am 28. Oktober in den Kinos und handelt von der 20-jährigen Lena, die sich in die jahrhundertealte Vampirin Louise verliebt – Louise aber beißt sie in der ersten gemeinsamen Nacht.
Untote auf der Suche nach Liebe und Sex also auch in „Wir sind die Nacht“ – doch der wahre Tod sieht anders aus. Unblutiger. Kälter. Unnatürlicher. Niemand kann mir das besser erklären, als Matthias Schmieder. Er arbeitet seit zehn Jahren als Bestatter. „Man muss seinen Beruf lieben“, sagt er. Den Beruf – und nicht den Toten.
Schmieder trägt eine schwarze Anzughose und ein weißes Hemd. Von Blut ist nichts zu sehen. Es riecht nach Desinfektionsspray und nicht nach Verwesung. Hier wird der Tod zum Geschäft, zum Handwerk.
Der Tod - harter Alltag für Bestatter
„Zu unserer eigenen Sicherheit“, erklärt Schmieder, während er sich durchsichtige Plastik-Handschuhe über die Hände streift. „So, dann holen wir uns mal die Tote“, sagt er und öffnet den Kühlraum. Dann holen wir sie mal. Das klingt makaber. Doch für Schmieder und seine Kollegen ist der Tod keine romantische Vorstellung – sondern harter Alltag.
„Die Haut von Toten ist wirklich eiskalt“, sagt Matthias Schmieder und beginnt, eine tote alte Frau herzurichten. Denn später sollen ihre Verwandten die Möglichkeit haben, sie ein letztes Mal zu sehen und von ihr Abschied zu nehmen. „Diese Frau hier ist gestern gestorben“, sagt der Bestatter. Und schon jetzt sind die Augen nach innen zusammengefallen, die Zunge hängt aus dem Mund und überall am Körper bilden sich violett-blaue Totenflecke. Es ist kein schöner Anblick.
Ich selbst habe noch nie einenToten gesehenund zucke zusammen als die Bestatter mir das Gesicht der Frau zuwenden. Schmieder beginnt, mit einer Pinzette die Augen zu richten. Ich sehe die Höhle, wo das Auge der Frau sein müsste – und sehe nichts. Eine Kugel glänzt darin weiß, die Pupille ist verschwunden.
Der Tod als Teil des Lebens
„Das ist ein rein biologischer Lebensprozess, wie ihn jeder mitmachenmuss“, erklärt Matthias Schmieder. Er zieht der Toten jetzt eine Windel an, weil „sonst Körperflüssigkeiten austreten.“ Die Details regelt im Übrigen das Bestattungsgesetz. Da stehen Sätze drin wie: „Menschliche Leiche im Sinne des Gesetzes ist der Körper eines Menschen, der sichere Zeichen des Todes aufweist. Zweiter Abschnitt, Paragraph neun.
Der wahre Tod ist gefühlskalt. Immer wieder durchdringt mich ein Schauer, wenn ich merke, dass unter der Decke, auf die ich schaue, ein Toter liegt. „Ein ganz natürlicher Lebensprozess“, hatte Schmieder gesagt. Leben. Das ist der bedeutendsteTeil des Satzes.
Vom Tod lernen
Denn das Wichtigste, was man aus der Beschäftigung mit dem Tod lernen kann, ist wohl, das Leben zu genießen. „Wenn ich Dienstschluss habe, dann lasse ich die Arbeit hinter mir. Dann bin ich Mensch“, sagt Schmieders Kollege André Schäfer.
Dann kann er auch Vampirfilme sehen. Schäfer und Schmieder haben der Frau inzwischen ein weißes Kleid angezogen. Sie sieht friedlich aus. Ein wenig wie eine Wachsfigur. Dasist nicht real, denke ich. Diese Frau kann nicht tot sein.
André Schäfer und MatthiasSchmieder wollen sie gerade zurück in den Kühlraum schieben, als das Diensthandy klingelt. Ein Schlagersänger von der Münchner Freiheit trällert einen alten Hit. „Ohne dich schlaf‘ ich heut‘ Nacht nicht ein.“ Ich stürze an die frische Luft und weiß: Er hat recht. Schlafen werde ich heute Nacht nicht.
Text: Rick Noack
Foto: Frank Grätz
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https://youtu.be/dc3EW7fgqk8
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[Bild:1]
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mxk
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