Mit neuen Schulstrukturen will sich die Hamburger Regierung an den internationalen Standard anpassen. Doch in der Hansestadt blockiert die Initiative „Wir wollen lernen“ die Pläne der Regierung.
05. March 2010 - 15:27 von SPIESSER-Autor DavidLojewski.
Frederic, 17, ist Vorsitzender der Landesschülervertretung Hamburg und erklärt, was sich an Hamburgs Schulen verändern soll und wer warum was dagegen hat.
Die Reform
Ziel ist, die ganze Bildungssituation in Hamburg zu verändern. Die Grundschulzeit wird um zwei Jahre verlängert und diese Schule, auf der nun alle Schüler sechs Jahre gemeinsam lernen, heißt dann Primarschule. Zudem wurde die Hauptschule abgeschafft, so dass es nach der Grundschule nur noch zwei Bildungswege gibt: Stadtteilschule und Gymnasium. Außerdem sollen die Schüler Englisch bereits verbindlich in der ersten Klasse lernen.
Warum?
Ausschlaggebend war das sehr schlechte Abschneiden von Hamburg in der Pisa-Studie. Mit Beginn der Koalition CDU/Grüne wurde der Weg für die Schulreform geebnet. Vor allem weil sich die Grünen schon lange für ein längeres gemeinsames Lernen aussprechen. Ein weiterer Aspekt
Der Experte
Frederic, 17, ist Vorsitzender der Landesschülervertretung. Er beantwortete SPIESSER-Autor David alle Fragen rund um die Reform. Er selbst hält die Bildungsreform für richtig, glaubt aber, dass bei der Organisation Mängel aufgetreten sind. Die Regierung hätte viel früher auf populistische Gegner eingehen und durch Kommunikation eher mit der Initiative "Wir wollen lernen" zusammen arbeiten müssen.
Foto: Frederic Rupprecht
war das negative Image der Hauptschule. Es gibt viele Kinder mit Migrationshintergrund, denen die Schule sowie der Umgang mit der deutschen Sprache nicht leicht fällt. Die landeten bisher auf der Hauptschule. Deshalb wurde diese bereits 2008 von der Regierung abgeschafft und war somit der erste wichtige Schritt der Reform.
Die Eltern
Ein Ziel der Bildungsreform war, dass nach der sechsten Klasse das Lehrerkollegium der Primarschule über die schulische Laufbahn der Kinder entscheidet. Doch viele Eltern wollten diese Entscheidung nicht abgeben. So stieß vor allem dieser Reformpunkt auf Kritik.
Nach dem Kompromiss zwischen Koalition und Opposition am 23. Februar 2010 wurde das Elternwahlrecht wieder eingeführt und die Lehrerkonferenz besitzt nur noch empfehlenden Charakter.
Die Befürworter
Die Reform stammt aus der Feder der aktuellen schwarz-grünen Koalition. Vor den Verhandlungen hielt die CDU an der vierjährigen Grundschule fest, einigte sich dann aber mit den Grünen auf die sechsjährige Primarschule. Die Grünen hatten erst neun Jahre gemeinsames Lernen gefordert.
Die Gegner
Nach einem Kompromiss am 23. Februar 2010 zwischen der schwarz-grünen Landesregierung und der rot-roten Opposition kämpft die parlamentarische Mehrheit nun Seite an Seite gegen den stärksten Gegner der Reform: die Initiative „Wir wollen lernen“. Sie sind gegen einen flächendeckenden Start der Umstrukturierung. Trotz mehreren Gesprächen zwischen Senat und Vertretern der Initiative blockiert „Wir wollen lernen“ das Vorhaben weiter und hofft auf den Volksentscheid am 18. Juni 2010.
Die Landesschülervertretung
Die LSV will die Bildungsreform konstruktiv begleiten, das heißt sie betreibt keine politische Hetze und leistet Aufklärungsarbeit unter der Schülerschaft zum Beispiel durch Informationsveranstaltungen. Zudem ist die LSV für das gemeinsame Lernen bis zur neunten Klasse. Besonders das fachübergreifende Lernen steht dabei im Vordergrund, damit sich die Mitschüler gegenseitig helfen können. Die Landesschülervertretung findet es falsch, den Weg, den Schüler, Lehrer und Politiker mittlerweile gemeinsam in Richtung Bildungsreform gegangen sind, jetzt von der Initiative „Wir wollen lernen“ blockieren zu lassen.
Die Zukunft
Die Einigung im Bildungsstreit um die Hamburger Schulreform scheint es in naher Zukunft nicht zu geben. Der Senat und die Initiative "Wir wollen lernen" konnten sich auch in der sechsten Gesprächsrunde nicht über das künftige Schulsystem einigen. Nun sind die Gespräche nach vier Wochen beendet, ein Kompromiss kam nicht zu Stande. Die Initiative hat bis zum 18. März Zeit, um den Antrag für den Volksentscheid einzureichen. Dann würden die Hamburger im Sommer darüber entscheiden, ob die Bildungsreform gekippt wird oder nicht.
Teaserbild: Holm Kräusche
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