Was passiert, wenn ein Deutscher in die türkische Kultur eintaucht?
Mit langsamen Schritten nähere ich mich einem großen Grundstück. Autos versperren den Weg. Blicke treffen mich, ich grüße und gehe weiter. Von Neugier geleitet, begebe ich mich an diesem Sonntagnachmittag in unbekanntes Terrain. Außer drei unscheinbaren Häusern gibt es in dieser Gegend normalerweise nichts Besonderes zu sehen.
27. December 2014 - 14:46 von SPIESSER-AutorIn anonymer Nutzer.
Mit langsamen Schritten nähere ich mich einem großen Grundstück. Autos versperren den Weg. Blicke treffen mich, ich grüße und gehe weiter. Von Neugier geleitet, begebe ich mich an diesem Sonntagnachmittag in unbekanntes Terrain. Außer drei unscheinbaren Häusern gibt es in dieser Gegend normalerweise nichts Besonderes zu sehen.
Bierpilze und Schlagermusik sucht man vergebens
An diesem Nachmittag jedoch sind mehrere Pavillons und ein großes Zelt im Halbkreis um die örtliche Moschee aufgebaut. Musik ertönt aus einem Zelt. Es sind türkische Klänge, vielleicht Popmusik. Unter den Pavillons stehen lange Tischreihen, darauf steht Essen. Männer bedienen einen großen Grill, Frauen verteilen selbstgemachte Speisen und Kuchen. Bierpilze und Schlagermusik sucht man hier vergebens. Wäre man nicht in Deutschland, könnte man meinen, man sei in der Türkei auf einem Dorffest. Schilder in türkischer Sprache, an jeder Ecke kleine Männergruppen, die sich auf Türkisch unterhalten und Kinder, die zwischen den Besuchern herumwuseln. Doch irgendwie fühle ich mich beobachtet, dass ist auch kein Wunder, denn ich bin einer der wenigen Deutschen. Heute sind es nicht die türkischen Mitbürger, die sich von der deutschen Gesellschaft ausgeschlossen und schlecht integriert fühlen. Heute bin ich der Außenseiter, der Deutsche – so ist mein Eindruck. Dann aber begrüßt mich Nurhan. Sie war es auch, die mich für heute eingeladen hat. Nurhan ist Türkin, in Deutschland geboren und Anfang 40. Sie hat diesen Nachmittag mitorganisiert und gehört zu rund 1000 Muslimen, die in dieser Region leben. Ein Teil von ihnen hat sich heute um die Moschee und die vielen Essensstände versammelt. Es sind vor allem Familien, die aus dem Umland zum sogenannten Kinderfest gekommen sind.
Lederjacke und Kopftuch
Nurhan bedient Gäste am Kuchenbuffet. Ich habe auch Hunger bekommen und schlendere an den Ständen vorbei. Alles sieht sehr lecker aus, doch was verbirgt sich hinter den türkischen Speisen? Ungewohnt freundlich werde ich von einer jungen Frau beraten. Ich schäme mich etwas für meine deutsche Genauigkeit. Die junge Frau scheint es nicht zu stören, sie versucht mir zu erklären, welche Produkte jeweils verarbeitet wurden. Ich entscheide mich schließlich für ein paar gefüllte Teigwaren und suche mir einen Sitzplatz. Meine Versuche, einen freien Platz zu ergattern, scheitern, denn alles ist voll. Ich muss wahrscheinlich sehr planlos durch die Sitzreihen gelaufen sein, als plötzlich zwei Kinder mit einer Bank auf mich zukommen und sie an einen Tisch stellen. „Hier ist noch Platz. Setz dich!“ fordern sie mich auf. Ich bin überrascht von dieser Gastfreundschaft und nehme Platz. Später erzählt mir Nurhan, dass die türkische Kultur Respekt vor Besuchern voraussetzt. Ich bin heute ihr Gast und stehe an höchster Stelle. Während ich esse, beobachte ich mein Umfeld. Es gibt den Türken in der Lederjacke mit Dreitage-Bart, der sich gestikulierend in kleineren Männergruppen unterhält. Daneben sieht man die typische türkische Mutter, die nur gebrochen deutsch sprechen kann und von weitem, mit einem Kopftuch in allen erdenklichen Farbkombinationen und Mustern, zu sehen ist. Sie sitzt oft mit anderen Frauen zusammen und beobachtet das Geschehen oder ermahnt ihre Kinder. Nicht zuletzt sind da die Kinder, die sich mit ihren Handys vergnügen, die Hüpfburg unsicher machen oder mir aus ihrem Kinderwagen neugierige Blicke zuwerfen. Anders als die Erwachsenen unterhalten sie sich überwiegend auf Deutsch.
Vom Fremden zum Freund
Ungewohnt anders ist auch der Moment, als die türkische und die deutsche Nationalhymne ertönen. Ich blicke auf und im nächsten Moment werden kleine Mädchen mit Applaus begrüßt. Als Prinzessinnen verkleidet tanzen sie zu türkischen Rhythmen, andere Kinder tragen wenig später türkische Gedichte vor. Trotz Sprachbarriere und den mir fremden Sitten und Bräuchen der türkischen Kultur schwindet meine anfängliche Distanz. Mein Blick auf die türkische Bevölkerung ist ein anderer, ein überwiegend positiver geworden, seitdem ich die gastfreundliche und fürsorgliche Art der Türken kennengelernt habe. Gleichwohl kann ich nun auch nachvollziehen, welche Vorurteile und Klischees man als Fremder überwinden muss. Als Fremder bin ich zu diesem Fest gekommen und als Freund mit einem weiteren Horizont verlasse ich es. Pünktlich zum Abendgebet endet das Fest, mit all diesen neuen Eindrücken verabschiede ich mich von Nurhan und kehre in meinen gewohnten deutschen Alltag zurück.
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https://youtu.be/dc3EW7fgqk8
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[Bild:1]
Viel Spaß
mxk
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