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Im Stickstoff schlafen - aber kopfüber!

„Man sitzt in einem Zeitfenster, schaut kurz hinaus ins Leben, und sofort ist man tot.“, Klaus Samses, überzeugter Kryoniker, ist das zu wenig. Als er feststellen musste, dass das Altern sich in absehbarer Zeit nicht nachhaltig beeinflussen lässt, wurde er zu jenen, die an den ewigen Winterschlaf glauben. Sie lassen sich nach dem Tod kopfüber in flüssigen Stickstoff bei -196 Grad Celsius einfrieren und hoffen auf ein Wiedererwärmen in mehreren hundert Jahren.

20. April 2011 - 10:24
von SPIESSER-Autorin kastanienbraun.
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kastanienbraun Offline
Beigetreten: 22.10.2010

Abgeguckt bei einigen Frosch-, Fisch- und Insektenarten, die vor dem Kälteschlaf im Winter ihren Organismus mit einem körpereigenen Gefrierschutzmittel anreichern, glauben Kryoniker, es ihnen nachzutun. Aus demselben Grund, die zerstörerische Eiskristallbildung in den Zellen zu verhindern, lassen sie sofort nach dem Ableben ihr Blut durch ein Frostschutzmittel ersetzen und ihren Körper kopfüber in einen Tank voll flüssigen Stickstoff absenken. Der Körper ist vor dem umhüllenden Stickstoff geschützt, sollte dieser jedoch einmal entweichen, würde er erst einmal die Füße zerstören und nicht sofort das Hirn. Einziger Haken ist, dass die Organismen der Tiere im Gegensatz zum Menschen haargenau wissen, wie das Gefrierschutzmittel dosiert werden muss. Die Wahrscheinlichkeit bei Erwärmung je wieder lebendig aufzuwachen, liege zwischen einem und fünf Prozent aber nur, wenn man sofort nach dem Tod für das Warten in der Eiszeit erstversorgt werde. Jedoch ist man unter Kryonikern optimistisch, da bereits eine erfolgreiche Wiedererwärmung stattfand: Ein anspruchsloses Bärtierchen, bestehend aus 30.000 Zellen, acht Beinen und einer Größe geringer als einen Millimeter, krabbelte nach dem Erwachen wieder lebensfroh herum. Der Sprung von einem Moosbewohner zum Menschen, mit seinen rund 100 Billionen Zellen, deren Arten die unterschiedlichsten Reaktionen auf Temperaturen zeigen, ist groß. Aber wer kopfüber und tot in einem Tank hängt, hat Zeit und freut sich, in vielleicht 300 Jahren erwachen zu dürfen, wenn die Medizin so weit wäre. Klaus Samses redet von elektromagnetischen Methoden, um einen Gefrosteten wieder aufzutauen, und von molekülgroßen, intelligenten Robotern, die mitsamt Werkzeugkasten durch die Blutbahnen und das Gewebe schwimmen, um zu reparieren, was die Kälte zerstörte und den Mensch einmal sterben ließ. Auch wenn die Temperatur den Stoffwechsel stoppt und das Gewebe für bestimmt einige Millionen Jahre nicht verändert (vorausgesetzt, niemand zieht zwischendurch den Stecker), fällt es schwer zu glauben, dass Tote wieder lebendig werden. Jedoch, wenn das Gewebe nie abgestorben sei, könne man es durchaus weiterbenutzen. Der Mathematiker Torsten Nahm lässt auf Grund des Preises einer gesamten Kryonisation von mehreren hunderttausend Dollar nur sein Hirn konservieren und hofft auf Stammzellen, die ihm einen neuen Körper bauen. Das Schlimmste sei für ihn der ewige Tod und deshalb überweist er auch monatlich viel Geld an die Stiftung in den USA, die schon 92 Menschen eingefroren hat. Außer dort und in Russland ist die Prozedur überall verboten. Darum durfte das erste kryonische Institut Europas in Kaiserslautern bisher auch nur zwei Katzen in den Winterschlaf schicken.

Zum Glück, denke ich mir. Wie weniger würdig könnte man nach dem Tod behandelt werden, als jahrelang kopfüber im Stickstoff zu hängen? Ohne das Wissen, was spätere Generationen je mit dem eigenen Körper anstellen werden, ohne eine überhaupt reelle Chance zu haben, je wieder zu leben. Da verändert sich die Floskel „Ruhe in Frieden“ in „Ruhe, um wieder zu erwachen“ - in einer fremden Epoche, in einer fremden Kultur als medizinisches Wunderwerk ohne Leben und Perspektive. Klaus Samses fallen viele Gründe ein, um sich in die Eiszeit zu schicken. Man könne mehr lernen, sein Lebenswerk vollenden oder einfach die Neugier auf die Zukunft stillen mitsamt langen Raumfahrten ins All. Würde je einer der 92 bisher eingefroren Menschen in ein paar hundert Jahren wieder leben, würde dieser wahrscheinlich aus fehlendem Verständnis für die Zukunft und Einsamkeit Selbstmord begehen.

Kryonik ist Science Fiction aus dem verzweifelten Wunsch heraus, endlich ein Mittel zu finden, unendlich lange zu leben. Mir bleibt der Zweck nicht greifbar mit dem Glauben, dass niemand mit einem Leben ohne Endlichkeit glücklich werden kann. Ich würde mein persönliches Recht, irgendwann in Frieden Ruhen zu dürfen, gegen nichts eintauschen wollen.

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