Als Reality-TV-Hasser hat Julia der Heidi-Show bisher keine Chance gegeben. Zu Recht - denn der Selbsttest ergibt: Nach zwei Stunden Problemaufgebausche und Sinnlosgequatsche fragt sich die SPIESSER-Autorin, warum sie nicht schon längst ausgeschaltet hat.
02. March 2007 - 13:16 SPIESSER-Redakteurin Onlineredaktion.
Ich sag's lieber gleich: Von der ersten Staffel habe ich vielleicht zehn Minuten gesehen. Paarmal reingezappt, Heidi nervig gefunden, schwarzen Mann heulen sehen (jedes Mal!), weggeschaltet. Ich bin also nicht gerade ein engagierter Fan. Aber diese eine Chance kriegt die Show - ich bin fest entschlossen, mir die erste Sendung der zweiten Staffel komplett anzuschauen.
100 Mädels schlagen also bei Heidi auf. Die können alle schon mal ganz toll stolz auf sich sein, denn 1500 anderen jungen Frauen wurde diese große Ehre im Vorfeld der Sendung verwehrt. Zum Casting sind schüchterne Freunde und ehrgeizige Muttis mitgekommen, weil "die Eltern da richtig doll hinterstehen", wie eine Kandidatin meint. Und hier geht es schon los - der Hauptgrund, warum ich nicht nur "Germany's next Topmodel" scheiße finde, sondern alle Reality-TV-Shows. Weil sie nach dem gleichen Prinzip funktionieren, das mir nicht einleuchtet: Dumme Menschen, die nichts zu sagen haben, werden vor die Kamera gezerrt und reden dort endlos lange belanglosen Quatsch. Zum Beispiel das Mädchen mit Minipli-Friese: "Ich würd's eher einem Bauernmädchen gönnen als einer, die schon aus einem reichen Haus kommt." Ist mir egal, interessiert mich nicht - langweilig!
Auch extrem nervig: die rührenden Home-Videos, die uns emotionshungrigen Zuschauern einzelne Teilnehmerinnen näher bringen sollen. Julina zum Beispiel liest vor laufender Kamera aus ihrem Tagebuch vor, dem sie anvertraut, wie doll sie ihren Papi vermisst, der seit zehn Jahren in Thailand lebt. Peinlich! Natürlich lässt Heidi es sich nicht nehmen, den Papi zum Casting einzuladen. Da ist es fast schon eine nette Überraschung, dass Julina wider Erwarten beim Wiedersehen nicht heult. Das heben sich die Möchtegern-Models für später auf.
Noch tränenseliger ist Anetas Geschichte. Ihr Bruder, der immer an sie geglaubt hat, ist vor zwei Jahren gestorben. Nur deshalb will sie jetzt Deutschlands schönstes Mädchen werden. Das ist natürlich ein angemessenes Thema für den Laufsteg, wo die Jury Aneta ausgiebig darüber befragt, wie sie damit zurechtkommt. Seelenschau im TV-Format.
Der große Auftritt von Heidi ist meisterhaft inszeniert. Das große Vorbild-Model erscheint zunächst auf dem Bildschirm - großer Jubel. Von dort aus verkündet Heidi, dass sie leider nicht persönlich anwesend sein kann. Die Musik wird langsam und traurig, makellose Mädchenstirnen legen sich in verzweifelte Falten, enttäuschte Kulleraugen kämpfen mit den ersten Tränen. Und dann die große Überraschung: Der teure Mannequin-Körper kommt im Glitzerfummel hinter der Leinwand hervor. Raffinierte Idee, großes Kino. Die Mädels kreischen, dass mir die Ohren bluten, während Heidi mindestens siebzehnmal beteuert: "Ich freu mich auf euch!"
Sobald die Kreischorgie abebbt, stellt Heidi die Jury vor: Agent Peyman, der einigermaßen erfolglos versucht, arrogant und kritisch zu wirken, Make-Up- und Hair-Stylist Boris, an den ich mich schon kaum noch erinnere, und der theatralische Bruce, wegen dem wahrscheinlich ein Großteil aller Fans die Sendung guckt. So, und weil wir ja nicht zum Spaß hier sind, startet gleich die erste Runde der Competiton. Die Jury stellt strenge Fragen - "Wie groß bist du? Sollen wir nachmessen oder sagst du die Wahrheit?", "Ist alles echt an dir?" , "Was hast du, was die anderen nicht haben?" - und die nervösen Mäuschen geben blöde Antworten: "Früher wollte ich immer Kräuterfrau werden" oder "Schule ist anstrengend, Modeln nicht".
Im Vergleich zu DSDS & Co. wirkt das aber doch alles ziemlich harmlos und kuschelig. Der Grundtenor: Ihr seid alle wunderschön. Was nicht stimmt. Ich sehe gigantische Tränensäcke, schiefe Zähne und Akne. Das kann man dann wohl unter "pädagogisch wertvoll" oder "positive Message" verbuchen. Schließlich sollen die Alltagsmädchen vor der Glotze sich nachher nicht hässlich fühlen und aus lauter Verzweiflung magersüchtig werden. Sonst müssen die Mädels am Ende wieder einen offenen Brief über die total leckeren Buffets schreiben.
Um jeder Kritik in diese Richtung vorzubeugen, geht die Jury das Thema Gewicht gleich mal aggressiv an. Es beschleicht mich der Verdacht, dass eine extra-dürre Kandidatin speziell zu diesem Zwecke ausgesucht wurde. Die muss sich anhören "Sobald solche gesundheitlichen Risiken aufgenommen werden, um hier weiter zu kommen, hört der Spaß auf!" - und fliegt raus. Sehr durchschaubar.
Nachdem die ersten 75 Träumerinnen rausgeflogen sind, müssen die Übriggebliebenen sich im Fußballstadion beweisen. Bisschen Umkleideerotik, bisschen Trainergebrüll von Bruce, Chorgekreische seitens der Fußball-Bikini-Nixen und ab aufs Feld. Jede Kleinigkeit wird ewig breitgetreten: das fehlende Röckchen, die Frage, wer zuerst losläuft, der kleine Choreografie-Fehler. Zu jedem Problemchen werden mindestens drei aufgelöste Mädels interviewt. Riesig spannend.
Wieder zu Hause im Studio, kommt die nächste Aufgabe: Bitte einmal alle glamourös! Jetzt kriegt jede ein bisschen Kritik ab. Wenn drauf, dann auf alle - damit Kandidatinnen und Zuschauer gleichermaßen verunsichert und folglich gespannt sind. Die Mädels spielen brav mit und heulen im Akkord - die 15 Weiterkommerinnen genauso wie die Nachhausgeherinnen.
Meine Vorurteile haben sich bestätigt: Kein Zickenterror, kein großer Jury-Diss - dafür eine Heidi, die genauso sinnfreien Rotz quatscht wie ihre Kandidatinnen, ein Bruce, der die Mädchen wie ein Papi tröstet, küsst und in den Arm nimmt, und Kunstschnee für die Finalistinnen - warum auch immer. Das nächste Mal werde ich der Versuchung, umzuschalten, nicht länger widerstehen.
Text: Julia Karnahl
Foto: Pixelquelle
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