Kleinere Klassen? Mehr Lehrer pro Schüler? Längeres gemeinsames Lernen? Bildung ist eins der umstrittendsten politischen Themen. In Nordrhein-Westfalen gibt es einen ersten Kompromiss zur Zukunft des Schulsystems.
26. August 2011 - 11:30 von SPIESSER-Redakteurin Onlineredaktion.
Nach langwierigen Streitigkeiten hat die rot-grüne Minderheitsregierung mit der CDU die Sekundarschule in Nordrhein-Westfalen eingeführt. Dadurch wurde ein erster Schritt zur Umgestaltung des Schulwesens gelegt. In der neuen Schule sollen die Jahrgangsstufen fünf bis zehn unterrichtet werden, eine Oberstufe gibt es nicht. SPIESSER befragte Mitglieder der Jugendorganisationen der SPD, die JUSOS, der CDU, Junge Union, der LINKEN, die Linksjugend [´solid] sowie der FDP. Sie erklären, wie sie zur neuen Schulform stehen. Leider war kein Mitglied der Grünen zu erreichen. Die Grünen legten sich jedoch als erstes auf die Einführung der Sekundarschule fest.
Benedikt Falszewski (SPD)
Individuelle Förderung der Schüler
„Als ersten Schritt zum besseren Schulsystem finde ich die Einführung der Sekundarschule wirklich gut“, meint Benedikt Falszewski, Chef der SPD-Jugendorganisation Jusos. „Die Sekundarschule bringt viele Vorteile mit sich. Durch die kleineren Klassenverbände ist eine individuellere Förderung der Schüler möglich. Außerdem gibt es eine breitere Palette von Fortbildungsgängen für Lehrkräfte. Trotz der positiven Veränderungen finde ich es sehr schade, dass an der Sekundarschule keine Oberstufe angeboten wird. Aber das Konzept kann im Laufe der nächsten Jahre natürlich noch verbessert werden.“
Fokussierung auf das Berufsleben
Sebastian Geßmann (CDU)
„Es ist eine gute Kompromisslösung auf die Frage, ob und in welcher Form Gemeinschaftsschulen eingeführt werden sollen. Insgesamt sehe ich die Idee als sehr vernünftig an. Immer weniger Schüler besuchen Haupt- und Realschulen. Besonders Hauptschüler haben einen schwierigeren Einstieg ins Berufsleben, obwohl ihre Schulausbildung berufsorientiert war“, erklärt Sebastian Geßmann, Vorsitzender der CDU-Jugendorganisation Junge Union Duisburg-Nord. „Auch bei der Sekundarschule liegt der Fokus auf einen berufsorientieren Schulabschluss. Daher finde ich es auch sinnvoll, keine Oberstufe anzubieten. Hierfür bestehen aber Kooperationen mit Gymnasien, an die qualifizierte Schüler nach der Sekundarstufe I wechseln können.“
„Eine reine Notlösung!“
Betül Cerrah (FDP)
„Die als Kompromisslösung umworbene Sekundarschule ist meiner Meinung nach eine einfache Notlösung. Die sinkenden Schülerzahlen an Hauptschulen haben uns ein Signal gegeben, dass eine Schulreform nötig ist. Dennoch ist diese Umentwicklung des Schulsystems nicht die Richtige.“ Betül Cerrah der FDP Duisburg kritisiert weiter: „Niemand hat sich Gedanken über die Kompatibilität mit den bereits bestehenden Schulformen oder des benötigten Personals gemacht. Abgesehen von der individuellen Förderung gibt es keine für Schüler ersichtlichen Vorteile. Das gemeinsame Lernen ist zwar ein schön und gut, dennoch hätte man nach Alternativen zur Sekundarschule Ausschau halten sollen. Beispielsweise hätte man Hauptschüler, die auf die Gesamtschule gewechselt sind, besser fördern können. Insgesamt erachte ich sowohl die Gemeinschafts- als auch die Sekundarschule als nicht überlebensfähig.“
„Mit der Sekundarschule entstehen neue soziale Klassen.“
Damira Schumacher (Die Linke)
„Die Einführung der Sekundarschule ist überhaupt nicht zu vertreten. Diese neue Schulform steht neben Haupt-, Real-, Gesamtschule und dem Gymnasium, “ sagt Damira Schumacher von der Linksjugend [´solid]. „Damit wird unser ohnehin kompliziertes Bildungssystem noch schwieriger zu begreifen. Besonders für Migranteneltern könnte es mühevoll werden, sich zurechtzufinden. Neben der Entstehung neuer sozialer Klassen, die vom Bildungsstand und Geldbeutel der Eltern abhängig sind, werden manche Gruppen komplett außer Acht gelassen. Je nach Grad der Behinderung besuchen sie weiterhin die Sonderschule. Nichtbehinderte kommen nicht in Kontakt mit Behinderten. Das hat mit Integration sehr wenig zu tun.“
Text und Fotos: Philipp Frohn
Teaserfoto: Maria Hüge / jugendfotos.de
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https://youtu.be/dc3EW7fgqk8
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