Was an britischen und amerikanischen Hochschulen schon längst zum guten Ton gehört, ist an deutschen Fakultäten noch eine Seltenheit: gute Theatergruppen. Zum 25. Jubiläum ein Besuch bei der English Drama Group der Technischen Universität Berlin.
06. September 2007 - 12:00 von SPIESSER-Redakteurin Onlineredaktion.
Matthias hat schon zu Schulzeiten die lahmende Schultheatergruppe in die Hand genommen und englischsprachige Stücke eingeführt. Warum? "Eigentlich wussten wir gar nicht so richtig, wie Theater überhaupt funktioniert. Stücke in Englisch zu wählen, war eben die Besonderheit, die wir uns geleistet haben". Zur Drama Group der Technischen Universität Berlin fand Matthias, der heute Sinologie, Politikwissenschaften und Philosophie studiert, ganz simpel übers Internet. Es war das einzige Suchergebnis für "studentische Theatergruppen in Berlin".
Zum diesjährigen 25. Jubiläum steht Matthias neben den deutschsprachigen Kommilitonen mit zwei Franzosen, einer Amerikanerin, zwei Briten, einem Schweden und einem Indonesier auf der Bühne. Die hohe Internationalität der englischsprachigen Theatergruppe ist eine ihrer wesentlichen Anziehungspunkte. Nicht nur deutsche Studenten, die ihre Englischkenntnisse aufbessern wollen, finden sich in der Gruppe ein, sondern auch ausländische Studenten, die mit der deutschen Sprache noch Schwierigkeiten haben und denen es sehr entgegenkommt, dass die Proben englischsprachig sind.
Außerdem bietet die Theatergruppe ein gute Möglichkeit Kontakte zu knüpfen, die oft über den Zeitraum des Mitwirkens hinausgehen. "Auf drei bis vier Ehestiftungen habe ich es immerhin schon gebracht", meint Peter Zenzinger, der Leiter und Regisseur der Drama Group. Genauso fänden sich zu den jährlichen Aufführungen immer wieder eine große Anzahl von Ehemaligen ein, die weiterhin Kontakt zueinander pflegten. "Die Drama Group schafft tiefe persönliche Kontakte. Die Freundschaften sind beständiger als die losen Bekanntschaften, die im Unialltag der Großstadt oft beklagt werden", so Zenzinger.
Gegründet hat Peter Zenzinger die Gruppe allerdings nicht, auch wenn er schon von Anfang an dabei war: "Die Idee brachten Studenten mit, die Auslandssemester in England absolviert hatten". Bis 1991 spielte der studierte Literaturwissenschaftler noch selbst in der Gruppe mit, dann konzentrierte er sich allein auf die Regie. Die Arbeit an einem Stück erstreckt sich normalerweise auf zwei Semester. Da die Gruppen immer wieder Neulinge enthalten, ist die Anfangsphase der Proben mit Kennenlernen, Improvisationsübungen und dem Spielen kleiner Szenen besonders wichtig. Zenzinger erklärt, dass man "gerade beim Spielen von Liebesszenen merkt, ob die Schauspieler Kontakt zueinander aufgebaut haben. Sie sind dann wesentlich entkrampfter".
Im Dezember findet ein Casting statt, nach dem die Rollen für das geplante Stück verteilt werden. Im Mittelpunkt steht dann die sprachliche Arbeit. Zum diesjährigen Jubiläum wird Shakespeares Sommernachtstraum gegeben und gerade das Shakespeare-Englisch hat es natürlich in sich. "Es geht nicht nur darum, etwas auswendig zu lernen und die Wörter richtig auszusprechen, sondern den Autor zu verstehen und eine passende Intonation zu entwickeln", so Zenzinger.
Die Fähigkeiten, welche die Studenten durch die Drama Group erwerben, gehen allerdings über die der sprachlichen Kompetenzen hinaus. Weil keiner allein auf der Bühne steht, wird die Teamarbeit gefördert, genauso wie jeder einzelne sich in der Präsentation vor Publikum üben muss. Das schult wiederum das Selbstbewusstsein. So beobachtet Zenzinger, dass erfolgreiche Schauspieler auch meist überdurchschnittliche Studienabschlüsse hinlegen: "Sie fühlen sich sicherer, gerade in der mündlichen Prüfung".
Zu den alljährlichen Aufführungen verlässt die Theatergruppe den Elfenbeinturm Universität und macht ihre Arbeit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Die oft etwas trockenen Inhalte wie Dramenanalyse und Werkinterpretation fließen in die praktische Arbeit ein und fördern vor allem die Authentizität der Inszenierung. Aber für die Studenten bekommt das Mitwirken in der Drama Group dadurch noch einen ganz augenscheinlichen Vorteil: Es ist eine Lehrveranstaltung und man kann spielend einen benoteten Schein erwerben.
Text: Mandy Buschina Foto: Pixelio.de
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