Der Winter war bisher mit den weißen Flöckchen noch nicht besonders großzügig. Da wäre eine Schneekugel doch eine schöne Alternative, oder? Nicht für SPIESSER-Autorin Josie!
21. January 2014 - 16:23 SPIESSER-Autorin JoelLaFu.
Wer kennt sie nicht? Ob sie einmal ein Weihnachtsgeschenk waren, ein Mitbringsel oder ein Souvenir. Kaum einer wird die Begegnung mit Schneekugeln in seinem Leben vermieden haben können. Und doch gehören sie rein objektiv gesehen zu den sinnlosesten Objekten des täglichen Lebens.
Selbst eine Schneekugel mit süßen Bambis ist irgendwie sinnlos... Foto: Randy Son Of Robert, flickr CC
Was ist ihre Daseinsberechtigung? Sie haben keinen einleuchtenden praktischen Zweck. Glaskugeln auf bemalten Sockeln, gefüllt mit einer viskosen Flüssigkeit, in der Kunststoffschnee schwimmt. Am Boden eine Sehenswürdigkeit oder ein Weihnachtsmann, vielleicht eine nichtssagende Schneelandschaft mit Dorf, ein Schneemann. Man dreht sie um, man schüttelt sie und der Schnee wirbelt auf. Jetzt hat man fünf Sekunden um einen Miniaturschneesturm aus hypnotisierend zirkulierenden Flöckchen zu genießen, bevor sich alles wieder legt. Und dann? Wieder schütteln. Und wieder. Und wieder. Und dann wird es frustrierend. Weil es monoton ist. Weil es nicht lang genug dauert, dass man die Schönheit wirklich genießen konnte. Weil es eine unvergleichlich sinnlose Aktivität ist.
Nun ja, aber hat sie sonst irgendeine Daseinsberechtigung? Nicht wirklich.
Man kann sich vielleicht höchstens ihr Gewicht zu Nutze machen, um Papierstapel beisammenzuhalten – aber in unserer digitalen Welt ist der Papierkram doch größtenteils so oder so im Netz und auf der Festplatte. Zum Glück sind Worddokumente vor physischen Einflüssen wie Wind, Zugluft und schlicht Gravitation dank ihrer Virtualität bestens geschützt. Also, wohin mit der Schneekugel?
In den meisten Haushalten, in denen eine oder mehrere Schneekugeln leben (und in Deutschland dürften das nahezu alle Haushalte sein), landen diese an den typischen Staubsammlerstammplätzen. Dem Kaminsims, wenn sie besonders gefallen. Dem Regal. Der hintersten Schreibtischecke. Der Kiste voller ungewollter Dinge, die man wegzuschmeißen nicht übers Herz bringt. Und dort tun sie genau das: Staub sammeln. Gelegentlich hebt man sie hoch, vielleicht, weil man gerade am Telefon einen unsäglich langweiligen Gesprächspartner hat, oder eigentlich aufräumen muss.
Schneekugeln sind zwar wirklich unnütz, aber
wenigstens ist für jeden Geschmack was dabei! Foto: puuikibeach, flickr CC
Das Problem ist bei Schneekugeln ausserdem, dass sie irgendwo in der Schwebe zwischen schön und hässlich sind – sie sind unglaublich kitschig. Die Miniaturwelt unter dem Glas und der Schnee wirken so filigran und niedlich, dass man das blöde Ding nicht einfach wegschmeissen kann. Auch wenn der Porzellansockel grässlich türkisfarben bemalt ist und in Schnörkelschrift die flapsige Aufschrift „Besinnliche Weihnachten“ oder „Grüße aus Paris“, umgeben von silbernen Glitzersternen, trägt. Man kann Schneekugeln nicht lieben, aber auch nicht wirklich hassen.
Nun gut, vielleicht liegt es einfach in der Natur des Menschen, Sinnloses zu horten und zu verschenken – und überhaupt zu fabrizieren. Vielleicht liegt es an dem nagenden Gefühl, dass wir selber nur die Schneekugel einer höheren Macht sind. Ein langweiliges Spielzeug, dass irgendwie ganz hübsch anzusehen ist, wenn man nicht gerade darin lebt.
Was uns zu einem letzten Punkt bringt: Die sadistischen Züge des Schneekugelschütteln sind offensichtlich. Da kann man einmal in Ruhe genießen, wie ein kleines Dorf zugeschneit wird – ganz ohne die Kälte und die Nässe. Und man kann selber entscheiden wann und wie sehr! Es ist wie Gott spielen. Da, nehmt diesen Schneesturm. Hui, und noch mal. Und jetzt der Blizzard! Sterbt alle! Und noch mal!
Text: Josie Rüssmann
Teaserbild:mawel, flickr CC
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