Kommt man als Ungläubiger an einer christlichen Schule zurecht? SPIESSER-Autor Robert muss es wissen, er erlebt den Schultag zwischen Klassenarbeit und Gottesdienst jeden Tag mit.
05. March 2007 - 14:27 SPIESSER-Redakteurin Onlineredaktion.
"St.-Benno-Gymnasium" steht auf den Flaggen vor meiner Schule. Sie hat sich den Glauben praktisch schon auf die Fahne geschrieben. Ich werde manchmal gefragt, warum ich diese Schule besuche. Denn ganz logisch ist das nicht. Ich bin nämlich absolut ungläubig. Ich kann nur an etwas glauben, das mir einleuchtet.
Warum sollte ich davon überzeugt sein, dass es das Paradies gibt, wenn noch keiner dort war und es beweisen kann? Ich will nicht einem Buch wie der Bibel vertrauen, die von etwas berichtet, was schon längst wissenschaftlich widerlegt wurde - wie zum Beispiel der Schöpfungsgeschichte. Glaube war meiner Meinung nach schon immer ein Lückenfüller für fehlendes Wissen. Mittlerweile sind jedoch die meisten Lücken geschlossen. Warum sollte ich also immer noch daran festhalten?
"Die stundenlangen Schulgottesdienste nerven ungemein."
Das allmorgendliche Gebet in der Schule und die stundenlangen Schulgottesdienste nerven mich ungemein. Es ist schon absurd, in Geschichte von Evolution und gleich danach in Religion die Geschichte von Adam und Eva zu erfahren.
Das alles hält mich aber nicht davon ab, freiwillig ein christliches Gymnasium zu besuchen. Viel wichtiger ist mir der Ruf der Schule und die Qualität der Bildung. Ich fühle mich wohl. Ob es nun am Glauben liegt oder nicht, unsere Schule ist sehr friedlich. Ich werde auch nicht dumm angequatscht, sondern von den Lehrern behandelt wie jeder andere Schüler. Und es hat bis jetzt auch noch niemand ernsthaft versucht, mich zu bekehren.
Kann man Glauben anerziehen?
Viele meiner Klassenkameraden glauben nicht oder "nur ein bisschen" an Gott. Die meisten werden von ihren Eltern von Anfang an christlich erzogen und in Gottesdienste mitgeschleift. Klar, dass sie dann auch ein bisschen religiös sind. Meine Mutter hingegen hat mich in keine Richtung gelenkt, dadurch konnte ich mir frei meine eigene Meinung bilden, die mir niemand diktiert.
"Ich muss ja nicht die Hände falten."
Trotz meiner Überzeugung gehe ich Weihnachten in die Kirche. Mir gefällt einfach die Atmosphäre. Es ist bei uns Tradition, und es würde etwas fehlen, wenn wir Weihnachten nicht hingingen. Ich muss ja nicht die Hände falten, es reicht, wenn ich die ruhige Stimmung auf mich wirken lasse. Aber ich würde nie in die Kirche gehen, nur weil es mir mies geht. Zu Kreuze kriechen, weil mein Wellensittich gestorben ist, finde ich heuchlerisch.
"Ich brauche keine Bibel, um ein guter Mensch zu sein."
Trotzdem lässt mich das Thema "Gott" nicht kalt. Millionen Menschen glauben an ihn, das ist faszinierend. An jeder Legende ist schließlich mindestens ein Fünkchen Wahrheit. Ich will auch nicht behaupten, eine Religion sei prinzipiell falsch, ohne es genau zu wissen. Der christliche Glaube lehrt die Menschen, gerecht miteinander umzugehen, und viele schöpfen daraus Kraft. Das ist für Christen wichtig, ich für meinen Teil brauche aber trotzdem keine Bibel, um ein guter Mensch zu sein.
Text: Robert Wisotzky
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