Praktikantin Patricia zieht spontan nach Berlin. Franka kehrt für eine Woche ins Hotel Mama zurück und Andrea macht sich für ein Wochenende auf Heimreise. Zurück bleibt die WG-Älteste. Was Lien ein ganzes Wochenende alleine in der WG getrieben hat, erzählt sie euch hier.
21. September 2011 - 10:08 von SPIESSER-AutorIn Die-WG.
Mit der mütterlichen Ermahnung, dass sie sich jeden Tag bei mir melden muss, entlasse ich unser Küken Franka aus der WG. Zurück bleibt: Eine Gurke, die sie mir, liebevoll mit einem gelben Post-it versehen, in mein Kühlschrankfach gelegt hat. Nur ein paar Tage später verabschiede ich mich unter Tränen von unserer guten Seele Patricia. Ein Stück Stuttgarter Heimatgefühl verlässt die WG und zurück bleibt: eine Post-it-Collage in der Badewanne. Schließlich packt am Ende der Woche auch noch Andrea ihren Koffer und lässt zurück: mich.
Frankas rührendes Abschiedsgeschenk.
Fast 72 Stunden soll ich nun alleine in der WG verbringen. Wäre doch gelacht, wenn ich die Zeit nicht sinnvoll rumkriege. Ich sage dem „WG-Abhängigkeitssyndrom“ also den Kampf an und fange an…
...zu putzen.
Nachdem wir in der Woche zuvor Besuch aus Berlin und Stuttgart hatten, strahlte unsere Wohnung nicht mehr ganz so sehr wie am Anfang. Vom Boden essen konnte man noch nie – jetzt schon. Hin und wieder kam nämlich eine einsame Spaghettinudel hervorgerollt. Einer unserer Gäste aus Stuttgart hatte uns einen Zaubertrick zeigen wollen. Applaus! Wie von Zauberhand tauchen seither immer wieder Nudeln in unserer WG auf. Etwas Nudelartiges entdecke ich schließlich auch im Müll. Leider entpuppt sich das schnell als Maden. Das ist zu viel für mich, ich kapituliere.
...zu kochen.
Bei uns in der WG kann man auch vom
Boden essen.
Man könnte es mehr Resteverwertung nennen, als kochen. Der Kühlschrank begegnet mir nämlich mit gähnender Leere. Als ich alle „Zutaten“ beisammen habe, fehlt mir ein wichtiges Utensil: ein Kochtopf. Zwei Kochtöpfe mussten meinen Kochkünsten schon erliegen. Einer verstarb bereits an der Unfallstelle, den anderen konnte man nicht mehr retten. Alle weiteren verwesen gerade in der Spülmaschine. Dumm gelaufen, wenn auf einmal der gesamte Putzplan inklusive Küchendienst wegfällt. Ein Glück habe ich vorgesorgt: eine 500-Gramm-Lebkuchenpackung. Ich zumindest bin glücklich und satt.
...zu facebooken.
Aha, warum genießt sie gerade die Sonne über Italien und hier regnets? Aha, warum ist der Typ wieder mit seiner Ex zusammen? Aha, warum schreibt der mich jetzt schon wieder an? Aha, aha, aha… Waaaaruuum um alles in der Welt beschäftige ich mich bloß mit solchen Fragen?! Vielleicht weil meine Mitbewohner nicht neben mir am Laptop sitzen und ich den Tratsch mit ihnen teilen kann. Vielleicht weil sich meine Aktivität aufs Liken und Kommentieren beschränkt. Vielleicht aber auch, weil das Leben anderer gerade einfach spannender ist als meins.
...krank zu werden.
Mit einer Tasse Tee und Taschentüchern verziehe ich mich in mein Bett und schreibe eine Rundmail an meine Mitbewohner. Sie sollen mich doch bitte alle bemitleiden und aufmuntern. Die tröstenden Worte lassen nicht auf sich warten: Ich solle ihren Fernseher benutzen, ich solle keine Bazillen verteilen, ich solle doch einfach ins Fitnessstudio gehen. Alles, was ich aber in diesem Moment will, ist: meine Mitbewohnerinnen zurück!
Teaserbild: Juliane Dorn, Text: Lien Herzog
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