Im Mund noch den fernen Geschmack des Mutterleibes, vor den Augen die aufregende Zukunft: Gustav ist bald raus aus der Nummer „Schule“. Kurz vorm Abi erzählt der NRW-Gesamtschüler in Blogform von seinem Endspurt in die Freiheit – und was sonst so los ist in der gymnasialen Oberstufe.
Nein, einen Textmarker verleihe ich grundsätzlich nicht. Ich habe gar keinen. Mein Freund blickt mich komisch von der Seite an. „Wie … du hast keinen Textmarker?“ Das letzte Mal, dass ich einen benutzt habe, war in der 10. Klasse, als man für seine Heftordnung noch „Weiter so!“-Stempel geerntet hat. Jetzt rasen wir gemeinsam auf das Abitur zu. Wer braucht denn da noch Textmarker?
Ein Textmarker, so klärt mein Freund mich auf, braucht man im Abitur, um einen Text zu analysieren. Gefährlicher Aufklärungsversuch, besonders brutal während meiner 7.49-Uhr-und-so-gerade-eben-wach-Laune. Brummel brummel. Geht „Textverständnis“ heute nicht mehr ohne Wikipedia-Zusammenfassung und Textmarker? Kriegen wir Fast-Abiturienten keine Texte „einfach so“ ins Hirn? Wieso habe ich immer wieder den Eindruck, den meisten fällt das Lesen schwer? Wir sind doch nicht blöd?!
Arbeitsblätter mit Texten zu bekommen, das schafft jeder Oberstufenschüler. Texte in die Hand nehmen und anglotzen auch. Knifflig ist die Zettelverteilung, schließlich muss am Ende jeder ein Exemplar haben. Ein riskantes Unterfangen. Doch das Verstehen des Textinhaltes … da fängt’s dann an, beziehungsweise: Da hört es auf.
Naja, man kann Textverständnis natürlich vortäuschen, indem man munter mit dem Kopf wackelt und der Lehrkraft Aufmerksamkeit signalisiert. Aber damit ist der Kuchen nicht gebacken. Kritisch wird es bei den Rückfragen: Können Sie das Gesagte kurz zusammenfassen? „Äähm, ööh … tja, ich hab mir gerade nicht zugehört, ich musste ja lesen“. Ist das normal? Ja, ist es.
Aber wieso? Sind wir denn blöd? Nun könnte man argumentieren, Schüler seien faul. Besonders Oberstufenschüler. Alle und immer. Das höre ich von meinen Lehrern ständig und wenn wir ehrlich sind, stimmt es ja auch ein bisschen. „Schüler können nicht vernünftig lesen, weil sie doof sind, weil sie keinen Bock auf den Text haben, weil sie das ADS-Syndrom geschluckt haben.“ - Das sind die gängigen Klischees.
Ich halte sie für falsch. Lasst uns lieber die Ursache finden. In meiner Position als Schüler muss ich vielleicht den Lehrern die Schuld geben, so gehört sich das. Ist nicht korrekt, alles auf die Pädagogen abzuwälzen, aber seien wir mal ehrlich: Viele Kinder lernen bereits im Kindergarten lesen, weil sie es wollen. Da ist so eine Motivation. Kein Säugling hat sich je nach den ersten Schrittversuchen gesagt: Nää, zu kompliziert, ich lass das Laufen bleiben. Kämpfen, um hinterher etwas zu „können“ – das ist Grundlage menschlichen Verhaltens. So lernen wir – komme was wolle.
Schlimmer geht immer
Es kommt: die Grundschule.Wie schwierig ist es zum Teufel, einen Erstklässler zum Lesen zu motivieren? Sehr schwierig für die Sorte Lehrer, die den Jüngsten das Lesen mit Arbeitsblättern und quälenden Schreibübungen einprügeln möchten.
Die Resultate dieser frühkindlichen Abschreckung sind – jetzt, kurz vor den Abiprüfungen – ein gähnender Bio-GK, der stumm mit den Augen über einen Text fliegt ohne wirklich hinzuschauen und ein weinender Deutsch-LK, dem 600 Seiten Buddenbrooks zu heftig sind.
Ja doch, dicke Buddenbrooks-Wälzer können nicht allen Spaß machen. Sollen sie ja auch gar nicht, das heißt hier schließlich „Abitur“ und ist gefälligst anstrengend. Und trotzdem ist es doch irgendwie peinlich, wenn die Lehrerin verlangt, einen Absatz zwangsweise „farbig zu markieren“, damit der gemeine Oberstufenschüler sich auch noch eine Nanosekunde später daran erinnern kann: Ach so, es geht um Thomas Mann!
Wer im Abi einen Textmarker braucht, ohne den er keinen Text rafft, der hat nicht ADS, der hat bloß leselahme Lehrer gehabt.
Und die Fortsetzung der Geschichte? Wie „doof“ sind denn die Studenten, frage ich?
Julia kennt sich aus, ist schließlich neuerdings selbst eine. Ihre Kolumne zur geistigen Verfassung der Studenten lest ihr nächste Woche.
In der Textmarker-Frage bin ich jedoch anderer Meinung, mag jetzt streberhaft erscheinen, aber ich benutze die Teile tatsächlich freiwillig. Hat jetzt aber nichts damit zu tun, dass ich nur dann einen Text verstehen könnte - für mich ist das mehr eine Weniger-Lern-Strategie: Wenn ich die Schlüsselinhalte markiert habe, muss ich das später nur überfliegen, um den Text wieder im Kopf zu haben.
Verstanden sein muss er natürlich schon vorher ;)
Also ich nutze meinen Textmarker, um mir Dinge zu markieren, die ich in der nachfolgenden Analyse hervorheben möchte. Oder um mir Dinge zu markieren, die wichtig sind. Wenn du die Buddenbrooks gelesen hast, weißt du ja: Die Hälfte von dem, was ein Autor schreibt, ist Blabla. Wobei - bei Thomas Mann sind es eher 2/3. xD
Ansonsten - lustiger und unterhaltsamer Text! Und immer wieder schön zu lesen, dass ich nicht die Einzige bin, die sich in ein paar Monaten mal wieder mit den Buddenbrooks, Iphigenie und Prinz Friedrich auseinander setzen muss^^
Jaa... Schüler sind auch doof. Schön, dass mal jemand versteht, dass nicht sie daran die Schuld tragen sondern diese ganzen lackierten Faltenröcke mit ihren bedrohlichen Schlüsselbändern um den Hals, die rumstressen ohne Ende, um ihre eigenen Inhalte rauszuhaun ohne auf ihre Empfänger einzugehen...
Wer also das Abi noch vor sich hat (lieber Gustav), der lehne sich entspannt zurück, rauche eine Zigarette, trinke einen Holunderblütencocktail und stecke sich Textmarker und Klausurbögen in die Nase: Das ganze Vorbereitungstheater ist quatsch, solange es Reclam-Lektüreschlüssel gibt, die man sich am Abend vor der Abiklausur reinzieht... ;)
Wenn man die Lektüren aus meinem Englischkurs so anschaut könnte man auch meinen,man sei bei Kunst. :D
Aber so ganz gegen die guten Textmarker wär ich nun auch nicht. Sie können schon helfen Informationen zu einem Thema schnell wieder zu finden.
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Hehe, schöner Text! :)
In der Textmarker-Frage bin ich jedoch anderer Meinung, mag jetzt streberhaft erscheinen, aber ich benutze die Teile tatsächlich freiwillig. Hat jetzt aber nichts damit zu tun, dass ich nur dann einen Text verstehen könnte - für mich ist das mehr eine Weniger-Lern-Strategie: Wenn ich die Schlüsselinhalte markiert habe, muss ich das später nur überfliegen, um den Text wieder im Kopf zu haben.
Verstanden sein muss er natürlich schon vorher ;)
Also ich nutze meinen Textmarker, um mir Dinge zu markieren, die ich in der nachfolgenden Analyse hervorheben möchte. Oder um mir Dinge zu markieren, die wichtig sind. Wenn du die Buddenbrooks gelesen hast, weißt du ja: Die Hälfte von dem, was ein Autor schreibt, ist Blabla. Wobei - bei Thomas Mann sind es eher 2/3. xD
Ansonsten - lustiger und unterhaltsamer Text! Und immer wieder schön zu lesen, dass ich nicht die Einzige bin, die sich in ein paar Monaten mal wieder mit den Buddenbrooks, Iphigenie und Prinz Friedrich auseinander setzen muss^^
Ha! Geiler Text! :D
Jaa... Schüler sind auch doof. Schön, dass mal jemand versteht, dass nicht sie daran die Schuld tragen sondern diese ganzen lackierten Faltenröcke mit ihren bedrohlichen Schlüsselbändern um den Hals, die rumstressen ohne Ende, um ihre eigenen Inhalte rauszuhaun ohne auf ihre Empfänger einzugehen...
Wer also das Abi noch vor sich hat (lieber Gustav), der lehne sich entspannt zurück, rauche eine Zigarette, trinke einen Holunderblütencocktail und stecke sich Textmarker und Klausurbögen in die Nase: Das ganze Vorbereitungstheater ist quatsch, solange es Reclam-Lektüreschlüssel gibt, die man sich am Abend vor der Abiklausur reinzieht... ;)
Das ACH DU SCHEISSE- Syndrom...
...hab ich auch.
Die Textmarker...
Wenn man die Lektüren aus meinem Englischkurs so anschaut könnte man auch meinen,man sei bei Kunst. :D
Aber so ganz gegen die guten Textmarker wär ich nun auch nicht. Sie können schon helfen Informationen zu einem Thema schnell wieder zu finden.