Erstwählerin Vicky hat es getan: Sie hat zum ersten Mal gewählt. Doch nach der Euphorie folgt die Verwirrung. Deshalb kramte sie am späten Sonntagabend noch ein Lexikon und einen Taschenrechner hervor.
24. September 2013 - 10:54 SPIESSER-Redakteurin MissFelsenheimer.
Mein erstes Mal war kurz und schmerzlos, es dauerte keine zehn Minuten. Einfach rein und wieder raus, ganz ohne Romantik. Ganz nach dem Motto „das Beste kommt zum Schluss“ betrat ich am 22. September um 17:20 Uhr mein Wahllokal, eine graue Grundschule. Schnell hatte ich das umfunktionierte Klassenzimmer gefunden und die Wahlhelferin genauso fix meinen Namen im Verzeichnis. Ich nahm die linke der drei Wahlkabinen. Nach einem schnellen Erinnerungsfoto las ich mir die Namen auf dem Zettel nochmal durch, Sicherheit geht vor. Drei Minuten später war ich schon wieder draußen.
1+1= absolute Mehrheit?
So sieht´s von innen aus: Vicky´s
Erinnerungsfoto aus der Wahlkabine.
Zu Hause angekommen, schmiss ich sofort den Fernseher an. Punkt 18 Uhr verkündete Jörg Schönborn im Ersten die ersten Hochrechnungen. Beim Anblick des Wahlergebnisses fühlte ich mich ungewohnt gut. Zu wissen, das ich zu den 71 Prozent gehöre, die daran beteiligt sind, machte mich stolz. Fühlt sich so etwa ein politischer Orgasmus an? Ich werde das im Auge behalten. Angie sah auf jeden Fall überglücklich aus. Und ich vermutlich etwas verwirrt. Es war von „absoluter Mehrheit“ die Rede.
Eine absolute Mehrheit sind mehr als die Hälfte aller möglichen Sitze im Bundestag. Das verrät mir das Politiklexikon, das mich durch mein Politikstudium gebracht hat. Aber wie geht das mit 41,5 Prozent?
Ich rechne los. 630 Abgeordnete werden dem 18. Bundestag angehören. 360 : 2 + 1 = Die CDU/CSU bräuchte 316 Sitze für eine absolute Mehrheit. Irgendwann fällt der Groschen: Dank Fünf-Prozent-Hürde „verfallen“ manche Prozentpunkte ja einfach! Ich multipliziere die 316 Sitze mit den Prozentpunkten, die alle Parteien, die es in den Bundestag geschafft haben, laut Hochrechnung zusammen haben (84,2 Prozent), und teile sie durch die 630 Sitze. Der Taschenrechner zeigt mir 42,5% – das bräuchte die CDU/CSU, um alleine zu regieren. Ich fühle mich wie ein Mathe-Gott!
Gesucht: Anschlussverwendung für die blau-gelben
Am nächsten Morgen ist es dann amtlich, zumindest vorläufig: Das Nachschlagen und Rechnen hätte ich mir schenken können, die Angie-Partei hat die absolute Mehrheit nicht geschafft – trotz bestem Wahlergebnis seit 23 Jahren. CDU und CSU bekommen 311 Sitze im Bundestag und damit fünf zu wenig für die absolute Mehrheit. Die Mission Alleinherrschaft ist damit vom Tisch. Für eine Regierung muss Angie einen Koalitionspartner finden und die drei Parteivorsitzenden daten. Aber ehrlich: Der kleine Partner der Union zu sein scheint mir nicht besonders reizvoll – wenn man sieht, wie die Ex-Partner bei den vergangenen beiden Wahlen untergegangen sind. Aktuelles Beispiel: die FDP, mit 4,8 Prozent nicht mehr im Bundestag und bei den Ergebnissen unter „Sonstige“ gelistet.
Was sollen die blau-gelben Politiker jetzt mir ihrer Zeit anfangen? Auf der Website der Partei ist noch nichts davon zu sehen, dass sich alle FDP-Bundestagsabgeordneten jetzt die „Anschlussverwendung“ suchen dürfen, die Parteichef Philipp Rösler 2012 den Schlecker-Angestellten vorgeschlagen hatte. Stattdessen springt mir eine-junge-Frau-mit-weit-ausgebreiteten-Armen-durch-ein-Kornfeld-hüpfend entgegen. Ob sie wohl für bessere Zeiten betet? Philipp Rösler jedenfalls hat am Montag seinen Rücktritt angekündigt.
Und ich stelle fest: Als Wählerin interessiert mich das alles plötzlich eine Winzigkeit mehr als zuvor.
Fotos: Victoria Gütter; Lars Kulesch /pixelio.de
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Genau die gleiche Frage mit der absoluten Mehrheit habe ich mir schon letzte Woche nach der Wahl in Bayern gestellt. Danke fürs Aufklären ;)