Kinofeeling

Victoria

Ein Mädchen. Eine Gruppe Jugendlicher. Eine Nacht in Berlin. Ein Take. Der beste deutsche Film des Jahres kommt ohne einen einzigen Schnitt aus. Auch sonst passt alles: Gute Story, junge Schaupieler, tolle Musik. Unbedingt anschauen, meint SPIESSER-Praktikant Niklas.

15. June 2015 - 17:15
SPIESSER-Autor CarlosVomDach.
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CarlosVomDach Offline
Beigetreten: 28.02.2015

Worum geht's?

Die junge Spanierin Victoria macht sich von einer ausgelassenen Nacht in einem Berliner Elektroschuppen auf den Heimweg. Vor dem Club trifft sie auf die vier Kumpels Sonne, Boxer, Blinker und Fuß, die nicht reingelassen wurden. Es funkt direkt zwischen Victoria und Sonne. Schnell beschließen sie, die Nacht gemeinsam ausklingen zu lassen. Die Gruppe streunert durch die dunklen, verlassenen Straßen des Viertels und chillt auf einem Haus über den Dächern der Hauptstadt. Eine normale Nacht unter Jugendlichen eben.


Victoria lässt sich zu einem spontanen, gefährlichen
Abenteuer überreden.

Victoria muss sich schließlich von der Clique trennen, um im hippen Café um die Ecke ihre Frühschicht vorzubereiten. Sonne begleitet die schöne Victoria und dann geht alles sehr schnell. Boxer muss noch Schulden aus seiner Zeit im Gefängnis begleichen und knackt ein Auto. Victoria lässt sich überreden, als Fahrerin der Gruppe einzuspringen. Das harmlose Rumalbern junger naiver Großstadtkids wird plötzlich ernst. Nach einem Treffen mit Boxers alten Bekannten in einem Parkhaus, wird Victoria und dem Zuschauer der gefährliche Plan der Jungs endgültig klar: Sie müssen eine Bank überfallen.

Wer spielt mit?

Die spanische Hauptdarstellerin Laia Costa wird nicht zuletzt wegen ihrer grandiosen Darstellung der Victoria als DIE Schauspiel-Entdeckung des europäischen Kinos 2015 gehandelt. An ihrer Seite gehen die deutschen Shootingstars Frederick Lau („Neue Vahr Süd“), Franz Rogowski („Love Steaks“), Max Mauff („Stromberg“) und Burak Yiğit („Bis aufs Blut – Brüder auf Bewährung“) aber nicht unter. Im Gegenteil: Ohne die großartige schauspielerische Leistung aller Beteiligten würde der Film nicht funktionieren. Alle Schauspieler haben ihre Rolle so stark verinnerlicht, dass der Film manchmal mehr wie eine Dokumentation wirkt als ein Spielfilm. Viele der Gespräche und Dialoge sind improvisiert, wodurch der Film unglaublich realistisch wirkt.

Filmischer Augenschmaus?

Der Film ist ein One-Take, das heißt, er wurde in einem Rutsch ohne Schnitte gedreht. Ein Take, kein Drehbuch, keine geschriebenen Dialoge. Die Schauspieler mussten die Handlung aktiv mitgestalten, was perfekt gelungen ist. Drei Versionen wurden gedreht und die Probleme der ersten beiden Takes zur Weiterentwicklung genutzt. Die wacklige Handkamera kommt so dicht an die Darsteller ran, dass man das Gefühl hat, selbst Teil der Gruppe zu sein. Die Musik von Nils Frahm untermalt die abenteuerliche Nacht. Belohnt wurde das filmische Abenteuer bereits mit zahlreichen Preisen, darunter mit dem Silbernen Bären der Berlinale.


Atemlos durch die Nacht: Keiner der Beteiligten ahnt,
wie die folgenden Stunden verlaufen werden.

 
Braucht man Taschentücher?

Durch die dynamische Kameraführung fühlt man sich selbst als Teil der Gruppe. Das kann an der ein oder anderen Stelle emotional werden, weil man mitten drin, aber machtlos ist. Um nicht zu viel zu verraten: Es gibt mehrere dramatische Momente, die das Herz in die Hose sacken lassen. Die unerwarteten Wendungen und Überraschungen wirken so stark wie im echten Leben. Ein richtiges Happy-End gibt es nicht, so sehr man es allen Beteiligten wünscht.

Mit wem angucken?

Der Film ist kein Feel-Good-Popcorn-Movie, macht aber auch nicht depressiv. Wer mit ständiger Spannung und unerwarteten Wendungen nicht so gut zurechtkommt, sollte doch lieber in den aktuellsten Til Schweiger-Film gehen. Für Freunde des Moments, Großstadtravern und ruhelosen Optimisten ist der Film bestens geeignet.

Was macht man danach?

Am liebsten würde man direkt in den nächsten Club gehen und die Leichtigkeit, Naivität und Freiheit der Jugend feiern. Auf jeden Fall spielt man nach diesem Film nicht mehr mit dem Gedanken, eine Bank zu überfallen.

In 3 Worten:

dramatisch, hastig, authentisch

Mainstream oder Independent?

Ein deutscher Independent-Film, aber trotzdem ganz großes Kino. Wer ist schon Birdman, wenn wir Victoria haben?

Victoria

Regie: Sebastian Schipper
Darsteller: Laia Costa, Frederick Lau, Max Mauff
Kinostart: 11. Juni 2015
Länge: 136 Minuten

 

 

Text: Niklas Kaulbersch
Fotos: Pressematerial Senator

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