„Ein faszinierendes Konzept mit vielen schönen Geschichten“
Vor inzwischen drei Jahren haben Jørg M. Kundinger und Timon Birkhofer ihr erstes richtig großes Filmprojekt gestartet. Jetzt endlich erscheint „Capital C“, die weltweit erste Kinodokumentation über Crowdfunding, im Kino. SPIESSER-Autorin Juliane hat mit den jungen Filmemachern über ihr Projekt gesprochen.
23. September 2015 - 16:10 SPIESSER-Autorin Julianchen.
Juliane: Was macht Crowdfunding eurer Meinung nach so revolutionär?
Jørg: Das Revolutionäre daran ist, dass wir heute von zu Hause aus Projekte realisieren können. Das war vorher in der Form nicht möglich. Wenn du eine bahnbrechende Idee hast, sagst du’s der Welt heute einfach über ein Crowdfunding Pitch-Video.
Timon: Das Schöne ist auch, dass man nicht Millionen Unterstützer dafür braucht. Unser Film ist das beste Beispiel: Wir hatten knapp 600 Leute, die uns weltweit aus 24 Ländern unterstützt haben.
Timon und Jørg kennen sich schon ewig. Sie hatten
früher sogar einmal eine gemeinsame Band. Fotos: privat
Denkt ihr, traditionelle Banken können irgendwann durch Crowdfunding ersetzt werden?
Jørg: Ich denke, dass es viel mehr eine Ergänzung als eine Konkurrenz ist. Denn Crowdfunding richtet sich speziell an Projekte, die über eine gängige Finanzierung nicht realisiert werden können, kann aber gleichzeitig den Banken helfen, zu evaluieren, ob die Projekte eine reelle Marktchance haben.
Gibt es Bereiche, die beim Crowdfunding derzeit besonders im Kommen sind?
Timon: Absolut, vor allem der Hardware-Bereich: zum Beispiel Halterungen für iPhones und Tools, wie kleine Tracking-Aufkleber für Laptops. Das Problem dabei ist, dass man immer wahnsinnig viel Geld braucht für die Herstellung – Maschinen, Material und Ähnliches.
Jørg: Das ist aus der amerikanischen Sichtweise natürlich sehr richtig. In Deutschland hingegen haben wir mit startnext eine Plattform, die sich vorwiegend auf soziale und kulturelle Komponenten spezialisiert – überraschenderweise.
Gibt es beim Crowdfunding auch Gefahren und Risiken?
Timon: Beim Crowdfunding gibt es die gleichen Risiken wie bei jeder anderen Finanzierungsart auch. Es ist schwierig, etwas komplett Neues zu schaffen, das am Ende wirklich Zuspruch gewinnt, egal um welchen Bereich es sich letztendlich handelt. Es gibt in dem Sinne keine crowdfundingspezifischen Problemfaktoren.
Jørg: Deswegen ist das größte Risiko, dass du am Anfang deine Hausaufgaben nicht richtig machst. Das Allerwichtigste ist, sich vorher Gedanken zu machen, wie viel Zeit und Geld du wirklich brauchst.
Timon: Jørg und ich kennen uns schon sehr lange. Wir hatten vor Ewigkeiten eine Band. Wir haben Musikvideos für die eigene Band und irgendwann auch für andere gemacht und sind dann in die Werbeschiene rein gerutscht. Die Idee zu dem Film kam 2011 durch einen Freund. Er hat uns einen Link geschickt zu einem Kickstarter Projekt – daraufhin haben wir die ganze Nacht durchgemacht, uns von einem Projekt zum anderen geklickt und waren völlig begeistert. Uns war dann eigentlich relativ schnell klar, dass wir eine Doku über dieses Phänomen drehen wollen, weil es so ein faszinierendes Konzept mit vielen schönen Geschichten ist.
Ist Capital C euer erster Kinofilm?
Jørg: Das ist tatsächlich der allererste große Film, den wir zusammen und überhaupt gemacht haben. Wir wollten schon früher Filme machen, aber es hat sich nie ein Weg gefunden, diese Ideen zu realisieren. Durch Crowdfunding gab es dann endlich die Möglichkeit etwas so zu machen, wie wir es machen wollen. Geschmäcker, Produktionsfirmen und Fernsehen konnten uns egal sein, weil wir in dem Sinne nur die Menschen von unserer Idee beeindrucken mussten. Ab da gab es dann aber für uns auch keine Ausreden mehr.
Hattet ihr keine Angst, dass die Funding-Summe für euren Film nicht zusammen kommt? Das ist doch eine nervliche Achterbahnfahrt.
Jørg: Ja, es war sogar lange Zeit sehr wahrscheinlich, dass wir die Funding-Summe nicht erreichen würden. Wir gingen davon aus, wenn ein paar Radiosender und Zeitungen über unser Projekt berichten, dann werden genug Leute das Potenzial unseres Projekts erkennen. Pustekuchen! Am Ende waren es Tweets und Blogupdates von einem Videospiel-Entwickler, die dazu geführt haben, dass unser Projekt wirklich finanziert wurde. Man muss dran bleiben, auch wenn Plan A, und vielleicht sogar B und C scheitern. Denn vielleicht gibt es noch einen Plan D, von dem du noch gar nichts wusstest.
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Ihr habt die Protagonisten während der gesamten Projektphase begleitet – wie viele Jahre hat das Projekt insgesamt gedauert?
Jørg: Drei Jahre – sehr viel länger als wir das eigentlich unseren Unterstützern damals gesagt hatten.
Timon: Die Kampagne lief knapp 60 Tage im Jahr 2012 und wir hatten eigentlich versprochen, ein Jahr später den Film fertig zu haben. Aber ein sehr angenehmer Nebeneffekt dabei ist, dass fast alle Leute, die in unserem Film zu sehen sind, vor allem die drei Hauptprotagonisten, über die Jahre zu echten Freunden geworden sind. Bei einem Filmfestival haben sich die Protagonisten das erste Mal getroffen, und mittlerweile starten auch sie gemeinsam Projekte.
Was war das für ein Gefühl, als ihr den Film das erste Mal jemand Außenstehendem gezeigt habt?
Jørg: Großartig! Wir hatten sehr bewegende Momente, als wir den Film das erste Mal zeigen konnten. Wir haben auch nicht damit gerechnet, dass er auf internationalen Filmfesten, in Flugzeugen, geschweige denn im Kino laufen würde. Das war alles nicht so groß geplant, aber echt cool, dass es jetzt so gekommen ist.
Timon: Es war eine Mischung von super happy und nervös, bis hin zu „Oh, wie werden sie darauf reagieren?“ Doppelt und dreifach schön war es, unseren Unterstützern das Resultat endlich zu zeigen – wir haben den Film immerhin für genau diese Menschen und uns gemacht.
Habt ihr schon neue Projekte in Planung, die durch die Crowd finanziert werden sollen, oder ist das noch topsecret?
Jørg: Nicht nur eins! Es ist aber tatsächlich so, dass wir gemerkt haben, dass wir uns mit diesem Projekt zu früh an die Crowd gewandt haben. Damit haben wir die Geduld unserer Unterstützer stark strapaziert. Wir sind gerührt, dass sie uns dennoch so die Stange gehalten haben – aber das gilt es generell fürs nächste Mal zu vermeiden.
Timon: Das Entscheidendste ist wirklich immer der Zeitpunkt. Wie man die Projekte dann vermarktet und das dann von der Crowd angenommen wird, kann man vorher nicht absehen.
SPIESSER-Autorin Juliane hat für euch natürlich auch den Film angesehen. Hier geht's zu ihrer Review!
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