Meinung

Das Glas ist voll!

Kennt ihr das? Ihr seht etwas, denkt euch „Das regt mich jetzt so auf, da müsste man echt mal was machen!“ und dann, keine 60 Minuten später, sitzt ihr wieder an eurem Arbeitsplatz oder chillt zu Hause auf dem Sofa ohne etwas getan zu haben. Diese Alltagsträgheit ist auch bei mir, SPIESSER-Autor Paul, sehr ausgeprägt. Umso mehr bedarf es einer starken und vor allem permanenten Verärgerung, damit ich aktiv werde. Ein Beitrag zum Aufregen.

24. April 2018 - 11:56
SPIESSER-Autor PaulausMdorf.
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PaulausMdorf Offline
Beigetreten: 18.05.2016

Das Glas ist voll! ES REICHT! ICH KANN ES NICHT MEHR HÖREN!

Diesen einen Satz, der bei mir sofort alle Alarmglocken schrillen lässt und mich in Oberlehrer-Revolutions-Stimmung bringt. Der Satz, der mich in diese Mischung aus resignativer Depression stürzt: „Ich habe ja nichts zu verbergen.“

Bei allen Götter, Teufeln, Dämonen und etwaigen Entitäten, die sonst noch im Multiversum angebetet werden! Es geht nicht darum, ob du gerne mit deinen Mitmenschen deinen morgendlichen Toilettengang gemeinsam auswertest. Es geht nicht darum, ob dir erst durch Likes oder Dislikes klar wird, ob dein Essen nun tatsächlich lecker ist.

Es geht um dich, nur um dich

Jeder einzelne Klick, jedes Video oder Bild, das du anschaust, jeder Text, den du online liest, jeder Comment, den du upvotest oder, schlimmer noch, selbst rekommentierst, füttert die Datenverwertungsmaschine. Du wirst konsumiert, damit du besser konsumierst.

Und das ist der Punkt: Mark Uwe Kling schrieb schon in seinem legendären Känguru-Manifest: „Man sollte aufhören Satire zu machen. Das bringt die Leute nur auf dumme Ideen.“ Offensichtlich haben Facebook, Twitter und Co. Orwells „1984“ nicht etwa als Warnung, sondern als Entwurf eines Geschäftskonzeptes verstanden. Dass diese Dienste Daten im großen Stil sammeln ist ja inzwischen Allgemeinwissen. Wie und was genau mit diesen Daten gemacht wird, bedarf immerhin schon einer oberflächlichen Recherche: Alle gesammelten Daten dienen dazu, Zielgruppenprofile zu erstellen, um jeden Einzelnen zu manipulieren.

Von Schleichwerbung zu Influencing

Was nach einem Science-Fiction Horrorscenario klingt, ist längst schon real. Die Personalisierungsalgorithmen sind inzwischen sogar so effizient geworden, dass die Datenhaie Funktionen in ihre Systeme einbauen mussten, damit man ab und zu auch mal vollkommen absurde Vorschläge von YouTube und Google bekommt, um nicht zu misstrauisch zu werden. Das Being Watched-Gefühl ist nämlich kontraproduktiv für die Manipulation.

Das dreisteste „Influencing“ geschieht hierbei über YouTube: Unterschiedliche Kanäle scheinbarer Privatpersonen promoten vollkommen ungehemmt die verschiedensten Produkte von Beauty-Lifestyle bis zu gängigen koffeinhaltigen Getränken. Paranoia?

Im Impressum fast jeden Kanals mit einer gewissen Abonnentenzahl finden sich die Namen von sogenannten Influencer-Marketing-Firmen. Geht man auf die direkt verlinkten Websites, so springt einem gleich ein Angebot ins Auge, selbst in den verschiedenen YouTube-Formaten Werbung zu platzieren. Nicht als Extraspot, sondern direkt vom Hauptakteur unter dem Deckmantel der „Authentizität“ angepriesen. Früher hieß das noch Schleichwerbung und war strafbar, heute heißt es „Influencing“ und ist teuer bezahlt.

Möge die Macht mit uns sein!

Die Macht dieser neuen Medien geht soweit, dass eine unabhängige US-Studie zum Thema Meinungsmanipulation zu dem Ergebnis kam, dass jeder Mensch mit Hilfe von Social Media und Suchmaschinenfilterung innerhalb von wenigen Tagen bis zur Gewaltbereitschaft radikalisiert werden kann. Ich will diese technischen Möglichkeiten nicht grundsätzlich verteufeln. Ich will nur, dass diese gewaltige Macht nicht unbedingt meistbietend versteigert wird. Ich denke der Staat ist hier gefragt, den internationalen Unternehmen die Stirn zu bieten.

Jemand muss für all diejenigen eintreten, die bereits vom Gift der „Authentizität“ betäubt sind. Jemand muss für all die „Ich habe ja nichts zu verbergen“-Typen kämpfen! Irgendjemand… So! Ich habe diesen Text verfasst. Mein Gewissen ist zufrieden und ich kann mich wieder entspannt zurücklehnen. Zurück an die Arbeit und heute Abend auf die Couch.

Text: Paul Hilliger
Teaserbild: Matthew Henry on Unsplash

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