Rassismus ist nur ein Problem der Erwachsenen? Falsch! Das beweist das Buch „Dreckstück", indem eine Gruppe pubertierender Jungs ihre Wut an einem unschuldigen Mädchen rauslassen. SPIESSER-Autorin Mona hat „Dreckstück" durchgeschmökert und war schockiert.
12. September 2015 - 10:45 SPIESSER-Autorin Mimi_the_first.
Schauplatz Paris: Der Protagonist David und seine Clique beschließen, die Schule zu schwänzen. Auf ihrem Weg durch die Stadt läuft ihnen ein kleines, schwarzes Mädchen über der Weg. Als die Jugendlichen entdecken, dass sie Läuse hat, beschließen sie, das Mädchen mitzunehmen und zu entlausen. Sie ziehen sie an einem Schal hinter sich her in die Wohnung eines Schülers. Dort lassen die fünf ihren anscheinend lange aufgestauten Hass und Ärger an dem Kind aus, bis die Situation aus dem Ruder gerät.
Das Mädchen wird für den Tod eines Freundes verantwortlich gemacht und gefoltert. Sie muss beispielsweise ihre Läuse essen und bekommt den Kopf geschoren. Die Jungs äußern sich durchgängig rassistisch und agieren völlig kalt. Obwohl David zunehmend Skrupel zeigt, wagt er es nicht, wie auch kein anderer der Jugendlichen, das grausame Spiel zu beenden.
Wer steckt dahinter?
Dr. Clémentine Beauvais wurde 1989 in Paris geboren. Sie lebt heute in England und promovierte zum Thema Kinderliteratur. Ihre Kinder- und Jugendbücher schreibt sie auf Französisch und Englisch. Mit ihrem Buch „Dreckstück“ bietet sie im entferntesten Sinne ein Negativbeispiel dafür, wie viel Menschenverachtung und Hass in der aktuellen Flüchtlingsdebatte stecken.
Kurz und knapp oder dicker Schinken?
Mit 82 Seiten und großer Schrift, liest sich "Dreckstück" eher wie eine Kurzgeschichte. Trotzdem ist der Inhalt meiner Meinung nach etwas zu ausführlich. Oft tauchen neue Namen auf und kleine, zusätzliche Handlungsstränge weben sich in die Geschichte. Beispielsweise befinden sich David und ein Mädchen aus der Clique über einen längeren Abschnitt in der Wohnung der Nachbarn, nur um zu überprüfen, ob die etwas von den Geschehnissen nebenan mitbekommen.
Für die Bahn, den Sessel oder den Pausenhof?
Beim Lesen dieses Buches ist Ruhe eine Grundvoraussetzung, darum eignet es sich am besten für den Sessel. Noch passender liest sich "Dreckstück", wenn es dabei draußen regnet. Mir hat die Geschichte jedenfalls die Stimmung verhagelt.
Zum Diskutieren gehört das Buch aber definitiv auf den Pausenhof, da Rassismus unter Jugendlichen keinesfalls ein ausschließlich französisches Problem darstellt. Außerdem finde ich es wichtig, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, zu welchen Handlungen Gruppenzwang einen Einzelnen verleiten kann.
Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie schwer ist es, das Buch wegzulegen?
Eine fünf: Das Buch ist schnell gelesen, aber nicht so spannend geschrieben, dass man sich dazwischen keine Pause erlauben will. Zeitweise ahnte ich, was als nächstes passieren würde, auch wenn ich es nicht wahrhaben wollte.
Mich hat die grundlose Brutalität der Jugendlichen erschüttert und mir widerstrebt die Vorstellung, dass in Europa so starker Rassismus praktiziert wird. Ich gebe es einer Freundin mit, die ein Austauschjahr in Frankreich macht. Sie soll mir im Anschluss sagen, für wie realistisch sie die Geschichte hält.
Lieblingszitat:
„Hinterher setzen wir uns alle in einen Kreis, aßen die restlichen Sachen vom Chinesen auf und tranken dazu Kaffee.“ (S. 34)
In drei Worten:
Rassismus, Gruppenzwang, Hass
Text & Teaserfoto: Mona Zwinzscher
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