Die Komikerin Sophie Passmann hat einen Sommer lang sechszehn namhafte Männer getroffen. Diese portraitiert und reflektiert sie in ihrem neuen Buch „Alte weiße Männer“. Das ist sehr lustig und liest sich wie ein feministisches Manifest. SPIESSER-Autor Vincent rezensiert.
08. March 2019 - 09:12 SPIESSER-Autor Kalendermensch.
Ich habe noch nie ein feministisches Buch gelesen. Die Klappentexte haben mich nicht abgeholt. Feminismus, das ist etwas für emanzipierte Frauen. Dass der Kampf um geschlechtliche Gleichstellung uns alle angeht, ist mir erst durch Sophie Passmann klar geworden. Ihr neues Buch „Alte weiße Männer“ ist meine erste Berührung mit dem Sujet. Sagen wir: Die 306 Seiten waren ein Sprung ins kalte Wasser. Dennoch kann ich jetzt sagen: Feminismus ist ganz schön dufte.
Wenn ich Menschen begegne, die Sophie Passmann nicht kennen, muss ich immer tief Luft holen. Der offizielle Autorentext sagt, sie sei für ihr Alter (25) schon ganz schön viel da. Passmann ist Radiomoderatorin, Komikerin und Autorin, lebt aber hauptberuflich – unbezahlt – im Internet. Auf Instagram erklärt sie gelegentlich 53.000 Menschen sehr lakonisch politische Sachverhalte mit Kram aus ihrer Wohnung. Ich finde, dass sie die wichtigste Stimme unserer Generation ist. Nicht nur, weil sie gern Riesling trinkt.
„Männer, umarmt die Verunsicherung“
Sophie Passmann ist Satirikerin mit politischer Meinung. Ihr Job: Ironie, ihr Thema: Feminismus. Sie findet, bei dem aktuellen Feminismus geht es zum ersten Mal um „die echten Dinge im Leben“, und spricht darüber mit anderen Feministinnen, alten weißen Männern und SPIESSER-Autorin Laura im Interview hier.
Flirty Süffisanz
Für ihr erstes großes Buch hat sich die Kölnerin mit sechszehn einflussreichen Männern getroffen. Einige Politiker sind darunter, Chefredakteure, Kabarettisten und ihr Papa. Sie berichtet über je eine Begegnung pro Kapitel. Die Texte tragen Namen wie „Stillgruppen und Studentenverbindungen“. Sie sind gleich gebaut: situativer Einstieg, Vorstellung des Mannes, Einstiegsfrage (Sind Sie ein alter, weißer Mann?), dann entwickelt sich das Gespräch. Zwischendurch interveniert Passmann, rekapituliert oder beschreibt die Allüren ihrer Interviewpartner. Schließlich beurteilt sie die Unterhaltung. Das Buch ist eine Auslese charmanter Portraits, die der Komplexität des Themas gerecht werden.
Dass sich das Textgenre dramaturgisch nicht abnutzt, ist Passmanns herrlichem Schreibstil geschuldet. Sie erinnert an die Existenz spießiger Wörter, indem sie „bigott“ und „bräsig“ nutzt, kann aber auch anders, wenn sie mit „vergaloppieren“, „ungebumst“ oder „weinselig“ daherkommt. Außerdem erfindet sie Kombinationen wie „diskursive Lowlights“ oder, noch besser, „flirty Süffisanz“. Dazu eine feine Brise französischer Staffage á la (ich weiß, meine Sprache ist auch nicht schlecht) „enfant terrible“ und „Protegé“. Und natürlich serviert Passmann auch Netzellipsen, wenn einer der Männer beispielsweise endlich sein Getränk bekommt: „was toll für seinen Durst“. Inwiefern Woxikon da überall nachgeholfen hat, weiß ich nicht, aber für eine 25-Jährige ist der Stil so abgeklärt und treffsicher, dass er ein Alleinstellungsmerkmal besitzt. Exaltiert wirkt es nie.
Die Beobachterin
Sophie Passmann zeichnet ihr Gegenüber klar. Ein Foto von den Männern gibt es nicht. Sie ist eine Beobachterin: „Er trägt einen orangenen Wanderrucksack.“ Intelligent sind die Gespräche sowieso. Passmann widerspricht gern: „Vergleichen Sie die Titelseite der BILD mit dem Deckengemälde der Sixtinischen Kapelle, Herr Diekmann?“ Ein alter, weißer Journalist würde sagen, dass sie den Männern Löcher in den Bauch fragt. Ihr Humor und die Klugheit ihrer Texte fusionieren. Nebenbei trifft sie Aussagen über vegane Butter, die das Geschenk eines Mannes war, die Kormorane, die „Problemvögel“ seien, wie der Grünen-Vorsitzenden ihr schildert oder kommentiert die Anzahl getrunkener Johannisbeersaftschorlen.
Sophie Passmann hat mir den Feminismus näher gebracht. An die Existenz der alten, weißen Männer glaube ich jedoch nicht. Ich weiß, dass Männer verrostete Vorstellungen von Frauen in der Gesellschaft haben können, aber eben auch junge und nicht alle. Dem „Witzemädchen aus dem Internet“ ist ein Buch gelungen, das eine Grundformel für erfolgreichen Feminismus findet: Gelassenheit. „Alte weiße Männer“ ist ein sprachliches Festessen, gut abgeschmeckt und vor allem liegt es nicht schwer im Magen. Es bleibt kurzweilig. Ich bin zwar erst recht kein alter, weißer Mann, aber gegen einen Flutschfinger mit Sophie Passmann hätte ich wirklich nichts einzuwenden.
Alte weiße Männer. Ein Schlichtungsversuch
Autorin: Sophie Passmann Verlag: Kiepenheuer & Witsch Veröffentlichung: 7. März 2019 Seitenanzahl: 304
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