Falkensee, eine Kleinstadt am Rande von Berlin. Viel Grün, große Grundstücke und Kinder, die noch wissen, dass Kühe nicht lila sind. Seit einem halben Jahr mittendrin: 63 geflüchtete Menschen, die überwiegend aus Syrien, dem Iran, Kamerun oder Pakistan stammen. Die Mehrheit nahm die Geflüchteten herzlich auf. Allen voran die Bürgerinitiative „Willkommen in Falkensee“, die mittlerweile mehr als 400 Menschen zu ihrem Unterstützerkreis zählt. Die Ehrenamtlichen organisieren Sprachkurse und helfen beim Ausfüllen von Anträgen – an Betreuung und Fürsorge für die „Newcomer“, wie man sie in Falkensee gerne nennt, mangelt es also nicht.
Fußball verbindet
Der Altersdurchschnitt der Willkommensinitiative ist relativ hoch. Hier trifft man pensionierte Lehrerinnen und Beamte, Rentnerinnen und Familienväter – man kennt sich von Elternabenden oder aus dem Sportverein. Für uns Jugendliche, also für Azubis, Abiturienten und Studenten, war das etwas zu langwierig. Deshalb haben wir uns gefragt: „Warum machen wir nicht einfach, ergänzend zu den Erwachsenen, unser eigenes Ding?”
Kicken verbindet, das weiß auch SPIESSER-Autor Markus.
Die Ausgangssituation hätte nicht besser sein können: Wir waren ein gutes Dutzend junger Leute, kannten die ersten Geflüchteten bereits und hatten Lust, etwas auf die Beine zu stellen. Nach langen Überlegungen entschieden wir uns, mit den Geflüchteten zum Fußballplatz zu gehen. Schließlich hören wir bei jedem Tor von Mesut Özil oder Lukas Podolski von den Politikern und Sportfunktionären, wie gut die Integration durch Sport funktionieren würde. Schon nach dem ersten gemeinsamen Nachmittag stand für uns fest: Fußball verbindet!
„Ein bisschen wie zuhause”
Bei unserem ersten Spiel waren wir noch so wenig, dass jeder Spieler bis zur Erschöpfung rannte. Inzwischen sind wir so viele, dass wir Turniere mit mehreren Mannschaften spielen. Wir mussten sogar nach einem größeren Platz suchen, damit alle mitspielen können. Aber ohne zahlreiche Spenden aus den Fußballvereinen in der Region, wäre unser Fußballtreff nicht möglich gewesen. Bei den ersten Partien mussten einige der Geflüchteten noch barfuß spielen, inzwischen sind alle mit gespendeten Fußballschuhen ausgerüstet. Sogar die ersten Freundschaftsspiele und Turniere haben wir bereits gemeinsam mit den Geflüchteten bestritten – und auch gewonnen!
Das Wichtigste ist für uns, dass die Mannschaften gemischt sind. Deutsche und Geflüchtete, Männer und Frauen bilden gemeinsam ein Team und auch die einzelnen Asylbewerber aus verschiedenen Herkunftsländern spielen zusammen. Beim Sport merken wir auch nicht, wie unterschiedlich die Hintergründe der Spieler sind. Alle wollen Spaß haben und auf dem Feld spricht man eine witzige Mischung aus Deutsch, Englisch, Französisch und Arabisch. Besonders schön für uns ist es, die Freude der Geflüchteten zu sehen, die strahlend zum Sport kommen und Kicken bis zum Umfallen. Als wir dann von einem 19-jährigen Kameruner hörten, dass es hier „ein bisschen wie zuhause” sei, war das sehr bewegend.
Damit auch andernorts Flüchtlingen unkompliziert das Leben erleichtert wird, freut sich die Jugend für Asyl über Nachahmer ihrer Projekte. Alle Fragen dazu könnt ihr unter www.faccebook.com/jugendfuerasyl loswerden.
Aufklären gegen Vorurteile
Die Resonanz unter anderen Jugendlichen, die wir zufällig beim Sport oder bei Ausflügen mit den Asylbewerbern trafen, war meistens positiv. Oft stießen wir aber auf großes Unwissen: Ob die Treffen mit den Geflüchteten für die jungen Frauen in unserer Initiative nicht gefährlich seien und ob wir keine Angst hätten, dass die Flüchtlinge uns beklauen, wurden wir hin und wieder gefragt. Unsere Reaktion war immer die Gleiche: „Mach bei uns mit und du wirst sehen, dass die Geflüchteten nicht anders sind, als wir“, haben wir erklärt.
Diese Nachfragen haben wir zum Anlass genommen, einen Workshop zu entwickeln, in dem wir aufklären wollen: Warum flüchten diese Menschen? Wie läuft diese Flucht ab? Und wie geht es ihnen hier in Deutschland? Mittlerweile sind wir damit an weiterführenden Schulen und in Vereinen in der Region unterwegs, um interessierte Jugendlichen aufzuklären. Am Ende bekommen wir von den Teilnehmern tolles Feedback und können unsere positiven Erfahrungen mit den „Newcomern“ weitergeben. So wollen wir Vorurteile abbauen.
Dass das dringend nötig ist, sehen wir an den Geschehnissen in Dresden und Erfurt, aber auch bei uns in der Region bleibt viel zu tun. Letzte Woche hat der zuständige Landkreis beschlossen, fünf weitere Heime in der Gegend einzurichten. Um die Geflüchteten zu integrieren, haben wir schon viele neue Aktionen geplant, die unseren Newcomern ihren ersten Winter in Deutschland so schön wie möglich machen sollen.
Text: Markus K.
Teaser-Foto: privat
Foto: flickr-User marcbiskup, flickr.com, (CC BY-SA 2.0)