Ausreiser Eike landet alles andere als auf dem harten Boden der amerikanischen Tatsachen: Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten regieren „weich und fluffig”.
06. September 2012 - 16:06 von SPIESSER-Autor EikeBuuusch.
Ausreiser Eike studiert dieses Wintersemester in Arizona.
Schon im Flugzeug von Philadelphia, meinem „port of entry“ in die USA, nach Phoenix begegnet mir das (weiche) amerikanische Klischee: In der letzten Reihe sitzend und nichts ahnend kommt mir ein schwer übergewichtiger Mann entgegen und lacht: „Du bist also derjenige, der neben dem Dicken sitzen muss.“ Ja, das bin ich.
In den darauffolgenden fünf Stunden bin ich damit derjenige, der nur noch einen halben Platz und durchgehend Körperkontakt hat. Ich lerne Amerika direkt von seiner kuscheligen Seite kennen – und von seiner kommunikativen. Der gute Mann redet den kompletten Flug in einer Tour. Er stellt sich als DJ John vor und prahlt mit seinem DJ-sein. Dabei erzählt er wenig von sich, aber die gesamte Zeit von seinen Geschäftsbeziehungen und Erfolgen. Kurz gesagt: Er redet viel, sagt aber wenig.
Supermarktweichheit
Schön, aber luftig: amerikanisches Brot.
Foto: flickr.com/amberdegrace
Im Land der Marshmallows angekommen, fällt auf, der der Amerikaner es sachte und weich mag. Ich bin schon beinahe überrascht, überhaupt Brot im Supermarkt zu finden. Schließlich heißt es in Deutschland immer, dass nur wir „richtiges Brot“ hätten. Brot gibt es in Arizona trotzdem. Aber bei genauem Hinsehen – mit den Fingern – stelle ich fest: Stimmt, amerikanisches Brot, egal wie dunkel, würde bei uns gerade mal als Toast durchgehen. Ziemlich fluffig, weich und wenig gehaltvoll das Ganze. Aber was solls, irgendwas muss ja rein in den Magen. Und davon dann viel, weil so luftiger Teig auch nie so richtig sättigt. Ich sehe einen vermeintlichen Zusammenhang zwischen dem Mann im Flieger und dem Brot. Weich und weich gesellt sich gern.
Anglophone Schlafzimmervorlieben
Als ich schließlich meine Bleibe für die nächsten Monate betrete, kommt es auch dort alles andere als hart auf hart. Zwar sind die üblichen Basics da (Bett, Schrank, Schreibtisch und Kommode), aber irgendetwas ist anders. Irgendetwas stimmt nicht. Ich scheine den Boden unter den Füssen zu verlieren – buchstäblich. Denn der Teppich erinnert eher an eine Hüpfburg, als an den Bodenbelag, den ich aus Deutschland gewöhnt bin. Es ist, als würde ich auf fluffigem, amerikanischen Brot laufen. Was im hartgesotteten Deutschland einem leichten Stoffbezug auf dem Untergrund gleicht, ist in Arizona ein Kunstrasen, der jede Isomatte in Sachen Bequemlichkeit in den Schatten stellt. Merkwürdig, dass im Zimmer überhaupt ein Bett steht: Ich könnte hier eigentlich entspannt auf dem Boden schlafen.
Zum im Boden versinken.
Das scheint mir auch fast nötig, als ich anschließend das erste Mal meine Schlafstätte austeste. Sofort versinkt mein Körper in einer Höhle aus Weichheit. Zwei luftgefüllte Matratzen und eine Unterdecke machen das Bett zu einem Gefängnis, zu einer Hölle der Gemütlichkeit – nichts für meinen deutschen Rücken. Ich ziehe direkt die Unterdecke ab und hänge sie in den Schrank. Hilft nicht viel, ist aber ein Anfang.
Fluffige Realität
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Als ich abends in meinem Wattebauschbett liege, lasse ich den ersten Tag unter amerikanischen Himmel noch mal Revue passieren. Meine Gedanken schweifen zurück ins Flugzeug und zum guten DJ John. Wer so erfolgreich, bekannt und talentiert zu sein meint, muss auch im www präsent sein, vermute ich. Schnell habe ich den Computer aufgeklappt und DJ-Johns Namen eingetippt. Aber nichts ist mit gnadenloser Berühmtheit: nur ein Kalendereintrag aus einer Großraumdisko und ein 45-Sekunden-Handy-Video auf Youtube. Von seinen fünf Stunden Gerede im Flieger bleibt weniger als eine Minute Realität. Ach Amerika. Auch in deinem Kopf gehts manchmal eher weich zu, hmm?
Text: Eike Rüdebusch, Fotos: privat
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