Unser Kolumnist Max schaut sich einen Text von sich selbst an, in dem er nach dem Abi verzweifelt auf die Welt der Erwachsenen geschaut hat. Heute sieht er vieles anders. Ist vielleicht doch nicht alles so scheiße, wie es manchmal scheint.
Vor einiger Zeit habe ich einen Text wiedergefunden, den ich mit 18 geschrieben habe. Ich hatte gerade mein erstes Studium angefangen (das ich ein knappes halbes Jahr später wieder abgebrochen habe) und war das erste Mal von zu Hause raus. Irgendwie überfordert mit der ganzen neuen Situation, konnte ich eines Nachts nicht schlafen und habe meine Gedanken einfach ungefiltert aufgeschrieben:
„Ich bin jetzt 18 Jahre alt. Das bedeutet, nach deutschem Recht ich bin „erwachsen“. Ich wollte immer erwachsen sein. Ich dachte das wäre cool, die völlige Freiheit genießen. Und neben allen Vorteilen, die das „Erwachsensein“ hat, fällt mir dennoch der große Unterschied auf: Du bist anderen Leuten scheißegal. Ich bin auf dem Land in einem sehr behüteten Umfeld aufgewachsen. Damit kannte ich das Gefühl der völligen Anonymität nicht. Im Dorf kennt dich jeder. In deiner Schule kennt dich irgendwann auch jeder. Im Sportverein, auf Partys und so weiter das Gleiche. Ich habe mich sehr darauf gefreut, in eine Stadt zu ziehen und auf mich selbst gestellt zu sein. Jedoch war mir nicht bewusst, dass es so schwierig ist, Anschluss zu finden. In der Uni sitzt man in Hörsälen mit 1000 Fremden. Dazu diejenigen Fremden, die man zufällig in der Orientierungswoche kennengelernt hat. Mir wird klar, dass in der Arbeits- und Lebenswelt der Erwachsenen der einzelne Mensch nicht besonders viel wert ist. In der Schule hatte ich wenigstens noch das Gefühl, dass sich einige Lehrer für ihre Schüler interessieren. In der Erwachsenenwelt interessierst du kein Schwein. Du musst dich selbst einbringen, ohne Anderen auf die Nerven zu gehen. Du musst nicht nur dein berufliches, finanzielles und behördliches Leben organisieren, sondern auch dein privates Umfeld. Und das fällt mir komischerweise am schwersten.“
Jetzt, fast vier Jahre später, kann ich mich noch gut in diesen verzweifelten Jungen hineinversetzen, der so unbedingt mit allem zurechtkommen wollte. Formulare, Deadlines, Rechnungen, Verpflichtungen, dazu eine fremde Umgebung, fremde Leute und die Gedanken an zu Hause. Ich fühlte mich mit allem allein gelassen.
Deshalb habe ich in meinem Text alle Probleme zusammengeworfen: Natürlich ist das Leben in der Stadt anonymer, als das auf dem Land. Das heißt aber nicht, dass aus Fremden nicht Freunde werden können, oder dass das Menschliche in der Erwachsenenwelt ganz verschwindet.
Anfangen ist schwer und braucht Zeit
Anonymität ist nicht der Preis des Erwachsenwerdens – aber es war eine völlig neue Realität für mich. Die Veränderungen nach dem Abi und nach der Zeit zu Hause sind enorm, damit muss man erstmal klarkommen. Aber zwischen all den Fremden habe ich irgendwann Freunde gefunden, die den Großstadtdschungel für mich zu einem zweiten zu Hause gemacht haben. Der Anfang fällt jedem schwer und – egal wie ausgelutscht es klingt – es braucht seine Zeit, bis man sich zurechtfindet.
Für die vielen Anfänge im Leben, hat mir ein Tipp geholfen: Du musst dich selbst gut genug kennen, um zu wissen, was du willst. Und dann musst du den Mut haben, genau das zu tun. Die Schwierigkeit liegt darin, dabei auch noch du selbst zu bleiben.
Hätte das schon mein 18-jähriges Ich in meinem kleinen WG-Zimmer in der fremden Stadt beherzigt – vielleicht hätte sich dann alles gar nicht so schwer angefühlt.
Text: Maximilian Sepp
Teaserbild: Photo by Etienne Boulanger on Unsplash
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