Kolumne

Handball-Revolution: König Fußball muss gestürzt werden

Nicht Weltmeister, kein Finale, nicht mal Dritter. Die Handball-Heim-WM hat Deutschland in den Bann gezogen – und am Ende flossen bittere Tränen. Die deutsche Mannschaft löste Zuschauerrekorde in den Hallen und an den Bildschirmen aus. Doch scheinbar nur, weil der grausame Riese Fußball in dieser Zeit geschlafen hat.

06. February 2019 - 13:55
SPIESSER-AutorIn maxiise.
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Es ist hart, ich weiß. Die WM hätte so schön ausgehen können: Deutschland und Dänemark als Gastgeber im Finale gegeneinander. Jetzt ist Dänemark Weltmeister und die Deutschen gucken in die Röhre. Acht Spiele lang herrschte größte Euphorie, beim neunten Mal platzten die Final-Träume. Nach dem Halbfinal-Aus gegen Norwegen ist es im deutschen Hirn mit dem Handball scheinbar wie mit der Urlaubsliebe: Zuerst überraschend, neu und begeisternd, aber auf dem Rückflug schon wieder aus dem Sinn. Und zu Hause sitzt die Ehefrau und erwacht aus dem Winterschlaf, denn die Bundesliga ist zurück.

Der Fußball in Deutschland erstickt mit seinem Geld und seiner Macht alle anderen Sportarten, die um Zuschauer, Sendeplätze und Sponsoren ringen müssen. Nur wenn die eigenen Spielzeiten weder der Bundesliga noch der Europa- oder Champions League in die Quere kommen, besteht überhaupt die Chance auf ein paar Fernsehzuschauer. Und auch nur dann, wenn die großen Turniere im Free-TV übertragen werden. Nach zwei Weltmeisterschaften ohne Übertragungsrechte haben sich ARD und ZDF nach dem diesjährigen Erfolg auch die Rechte an allen Handball-Europa- und Weltmeisterschaften bis 2025 gesichert, inklusive der EM 2024 in Deutschland.

Der Kampf um Platz zwei

Der Deutsche Handballbund (DHB) hat nach eigener Aussage den Anspruch, die klare Nummer zwei bei den Fans zu sein. Und dafür herrschen hierzulande eigentlich beste Bedingungen.

Erstens: Wie die Heim-WM in diesem Jahr gezeigt hat, schlummert ein großes Interesse für den Sport in den Deutschen. Knapp 12 Millionen Zuschauer beim vorentscheidenden Hauptrundenspiel gegen Kroatien sprechen eine klare Sprache. Zweitens: Die Bundesliga gilt als die stärkste Handball-Liga der Welt. Viele WM-Stars spielen in Berlin, Kiel oder Mannheim. Aber auch, und das ist ein großer Vorteil, in Lemgo, Magdeburg oder Melsungen. Denn gerade die Sportbegeisterten außerhalb der großen Städte haben vielleicht eher einen erstklassigen Handball- als Fußball-Verein ganz in der Nähe. Drittens: Die Einnahmen in Millionenhöhe, die der DHB durch die WM verzeichnet, sollen in die Jugendförderung und Workshops in Schulen gesteckt werden, um den Handball in der jüngeren Generation noch beliebter und attraktiver zu machen.

Die Blase muss bald platzen

Der Fußball hingegen macht sich zusehends unattraktiver. Und jeder Fußball-Fan weiß das - eigentlich. Immer wieder gibt es Fan-Proteste gegen den DFB, ganz zu schweigen von der FIFA, die selbst Silvio Berlusconi in Sachen mafiöse Strukturen und Korruption noch Nachhilfe geben kann. Und trotzdem sind die Stadien wöchentlich ausverkauft und die WM in Katar 2022 wurde nach anfänglichen Überlegungen auch akzeptiert. Fußball ist ein kaputtes, korruptes System, aufgepumpt bis zum Hals mit dreckigem Geld. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Fans sich dem entgegenstellen müssen. Aber solang die Stadionwurst schmeckt, ist ja alles gut…

Handball ist ein Sport, Fußball ein Business. Ihre Bodenständigkeit und Fairness haben Fußballverbände und -vereine verkauft. Lange kann es nicht mehr dauern, bis die Blase platzt und der Fußball sich wieder auf seine eigentlichen Werte zurückbesinnen muss, mit denen der Handball in diesem Jahr die Massen begeisterte.

Text: Maximilian Sepp
Teaserbild: Lena Schulze

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